Heute zeigt das Kinoptikum

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Fr. 18:00
ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN
Ö 2024, 93 Min.
Regie: Josef Hader
mit Birgit Minichmayr, Josef Hader, Thomas Schubert
Hader filmt Hader: Lakonische Landpartie von Schuld und Sühne.
Trailer zu ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN
Weiterlesen... „Was feiert man eigentlich am Geburtstag?“ - „Dass du nicht gestorben bist, in diesem Jahr.“ So klingen die Gespräche unter Kollegen auf dem Polizeirevier. Andrea (Brigit Minichmayr) feiert nicht nur ihr Jubiläum, sondern zugleich die anstehende Scheidung von ihrem Andi. Der künftige Ex-Gatte sucht Trost im Schnaps. Wenig später ist er tot. Überfahren von der eigenen Ehefrau. Oder vielleicht auch nicht. Jedenfalls bezichtigt sich auch Religionslehrer Franz (Josef Hader) der schweren Schuld. Als trockener Alkoholiker traut er sich schließlich alles zu. „Ab morgen wird der Koffer gepackt fürs Gefängnis“ sagt der schuldbewusste Pädagoge zur frisch verwitweten Polizistin, „weil sie so nett sind zu mir, geht’s mir noch schlechter.“
Ganz so klar ist dieser Fall freilich nicht. Auch die Polizistin wirkt nicht so recht unschuldig, ob jene Lackschäden an ihrem Auto tatsächlich von einem Wildschwein stammen, wie sie behauptet? Der Mann von der Werkstatt würde wohl ein Auge zudrücken. Ein skrupelloser Vorgesetzter ebenso. Eine Hand wäscht auf dem Land schließlich die andere. Der Niedergang in Niederösterreich scheint gleichwohl unaufhaltbar: „Die Frauen ziehen weg. Und die Männer werden immer komischer“, heißt eine verzweifelte Klage. Man dreht sich im Kreis. Symbolisch repräsentiert vom zentralen Kreisverkehr, der mit einer beleuchteten Riesenzwiebel in der Mitte sogar weit imposanter wirkt als jene zum Kult gewordene Verkehrsanlage in den Eberhofer-Krimis.
Gleich zum Auftakt präsentiert sich Hader mit visueller Wucht und Originalität. Die Kamera hält lange auf eine einsame Allee. Bis irgendwann ein Polizeiauto am Horizont auftaucht, das langsam näherkommt. Auch im Kleinen sind die Bilder groß, etwa wenn es in der Disco ein ziemlich trauriger Tanz der anrührenden Art stattfindet.
Erzählerisch zahlen sich die langjährigen Bühnenauftritte von Regisseur, Autor und Schauspieler Hader aus. Er weiß souverän mit Tempo und Timing umzugehen und kennt das dramaturgische Potenzial von gut gesetzten Pausen, die Pointen umso wirkungsvoller geraten lassen. Das Figurenkarussell ist bis in die kleinste Nebenrolle liebevoll besetzt, eine anderswo vielfach vernachlässigte Sorgfalt, die sich spürbar bezahlt macht. Bei den Dialogen ist der Wortkünstler gleichfalls um größtmögliche Präzision bemüht. „Nach Delfinen und Elefanten sind Katzen die intelligentesten Tiere. Meine Cher kann sogar die Katzenklappe öffnen“ schwärmt eine stolze Tierbesitzerin. Und bekommt als schlichte Antwort: „Wenn sie das nicht kann, ist sie ohnehin behindert.“ Mit leichten Federstrichen und scharfer Beobachtungsgabe wird die politische Befindlichkeit in der Provinz skizziert: „Mir ist alles recht. Hauptsache, es ziehen keine Türken ein“, betont ein Nachbar mit Blick auf ein freiwerdendes Haus.
Die Minichmayr und der Hader geben ein ausgesprochen lässiges Duo ab. An soviel mit Komik gepaarter Melancholie voller Zwischentöne hätte vermutlich auch ein Kaurismäki sein minimalistisches Vergnügen. Vom Debüt bis zum Zweitling hat es sieben Jahre gedauert. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Streich das Austro-Clowns nicht ähnlich lange auf sich warten lässt.
(programmkino.de)
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Fr. 20:30
STOP MAKING SENSE  OV
MonatsDoku – USA 1984/2024, 88 Min.
Regie: Jonathan Demme
mit David Byrne, Tina Weymouth, Chris Frantz
Die ganz und gar nicht sinnlose Wiederkehr der bahnbrechenden Bühnenperformance mit den „Talking Heads“
Trailer zu STOP MAKING SENSE
Weiterlesen... Rund vierzig Jahre ist es her, da betritt ein Musiker in einem voluminösen hellen Anzug mit seiner Gitarre die Bühne des legendären Pantages Theatres in Los Angeles, gibt vor, einen urigen Kassettenrecorder mit Rhythmusklängen anzustellen und beginnt mit puristischer Intensität zu singen: „I can’t seem to face up to the facts, I’m tense and nervous and I can’t relax …“ – dieser wohl inszenierte Auftritt bildet den Auftakt einer der letzten Live Performances der US-amerikanischen Band Talking Heads, die von Regisseur Jonathan Demme in den markanten Konzertfilm „Stop Making Sense“ gebannt wurden. 2024 kommt dieser erneut ins Kino.
Nach der beeindruckenden Solo-Darbietung David Byrnes von Psycho Killer treten allmählich auch die Bassistin Tina Weymouth, Schlagzeuger Chris Frantz sowie Jerry Harrison an Keyboard und Gitarre als Protagonisten der Talking Heads auf und starten effektvoll durch in eine Show mit außergewöhnlicher Lichtgestaltung, die sich in ihrer prozesshaften Dramaturgie zu einem großartigen Event der professionellen, musikalisch wie mimisch mitreißenden Selbstdarstellung einer Band auswächst, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ein prätentiöses Porträt auswirft, das als brillantes Bühnenstück in die Musikgeschichte eingeht.
Wie akribisch kalkuliert und auf die Essenz der persönlichen Präsenz der Musiker fokussiert sich dieser seinerzeit avantgardistische Konzertfilm gestaltet, der nun erstmals auf Blu-ray bei Arthaus erscheint, bezeugt auch das ausführliche Bonusmaterial dieser 30th Anniversary Edition mit dem Audiokommentar der Talking Heads und des Regisseurs Jonathan Demme, einem monologischen Interview David Byrnes und einer Pressekonferenz mit der später verzwisteten Band, die 1999 im Rahmen des San Francisco International Film Festivals stattfand, wo der Film auch seine Premiere feierte, der als Beste Dokumentation mit dem Preis der National Society of Film Critics prämiert wurde. Als zusätzliche Songs werden hier Cities, Big Business und I Zimbra präsentiert, so dass insgesamt neunzehn Stücke der Talking Heads flankiert von emotional und mit Esprit gesteuertem Körpereinsatz der Musiker Eingang in diese Edition finden, die äußerst ansprechend dazu einlädt, das Phänomen Stop Making Sense einerseits intensiv zu erleben, wie darüber hinaus hintergründlich zu rekonstruieren. Dabei entsteht das lebhafte, dynamische Bild eines Projektes mit einer ganz eigenen, ausgeklügelten Geschichte und einem faszinierenden Resultat, das durch seine unmittelbare Erlebnisfähigkeit des Auftritts der Band besicht, deren Live-Publikum bis zum Ende der Show ausgeblendet bleibt. David Byrne stilisiert sich hier mit elegantem bis ekstatischem Ausdruck und Einsatz zu einem Magier der Musik herauf, der seine Songs durchlebt und durchleidet, dezent mit seinem Publikum spielt und sich sogar zwischenzeitlich von Bühne und Band entfernt, die von Musikern wie Alex Weir, Ednah Holt, Lynn Mabry und Bernie Worrell begleitet wird.
Technisch innovativ als erster Film komplett mit digitaler Audiotechnik ausgesattet gelingt Stop Making Sense das komplexe Kunststück, mit engagierter Präzision die betörende Atmosphäre eines geradezu erzählerischen Flusses in Gang zu setzen, dessen Geschichten sich klanglich und kommunikativ eingebunden als empfindungsreiche Episoden ereignen, die von existenziellen Aspekten wie Identität und Verlorenheit, aber auch von Momenten der Erfüllung tönen. Die puristische Poesie, die sich vor den Augen ihres Publikums scheinbar spontan entwickelt, vermag es mit lässiger Leichtigkeit, akustisch wie visuell zu fesseln, und ihre Analyse schmälert keineswegs ihre inspirierende Überzeugungskraft. (kino-zeit.de)
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