Heute zeigt das Kinoptikum

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So. 11:00
BLACK BAG - DOPPELTES SPIEL  DF
Black Bag – GB 2025, 93 Min.
Regie: Steven Soderbergh
mit Michael Fassbender, Cate Blanchett, Pierce Brosnan
Ein lässig-eleganter Agentenfilm voller „True Lies“
Trailer zu BLACK BAG - DOPPELTES SPIEL
Weiterlesen... George Woodhouse und Kathryn St. Jean sind seit langem mehr als glücklich verheiratet – und teilen sich auch den Arbeitgeber: Den britischen Geheimdienst. Dementsprechend muss manches aus dem Ehebett gehalten werden, Geheimnisse sind das Tagesgeschäft, deswegen wurde eine Regelung gefunden: Was nicht gesagt werden darf wird quasi in die Tasche gesteckt, in den Black Bag des Titels, der als Kurzformel dient, wenn das Gespräch beendet werden muss.
Ist da die Versuchung nicht besonders groß, die Formel Black Bag als Ausrede zu nutzen, um auch andere Geheimnisse vor dem Partner zu verbergen? Außereheliche Affären etwa? Und was passiert, wenn George beauftragt wird, einen Maulwurf ausfindig zu machen, wenn er fünf Namen möglicher Verräter bekommt unter denen sich ausgerechnet auch der seiner Frau befindet?
Wie schnell klar wird, hat der kühl und berechnende George kein Problem damit, auch engste Familienangehörige zur Rede zu stellen, denn die Wahrheit geht ihm über alles. Kein Wunder also, dass er bei seinen Gästen bei einem Essen eine Wahrheitsdroge ins Chicken Masala mischt.
Opfer sind zwei weitere Paare, eben die anderen Verdächtigen: Clarissa Dubose (Marisa Abela), eine Überwachungsspezialistin, die eine Affäre mit dem Kollegen Freddie Smalls (Tom Burke) hat, ein notorischer Frauenheld und Trinker. Und James Stokes (Regé-Jean Page), der mit Zoe Vaughn (Naomie Harris) liiert ist, die Psychologin der Abteilung, die zu alledem nicht nur James in Behandlung hat, sondern auch Kathryn.
Eine Woche hat George nun Zeit, herauszufinden, wer plant, das geheime Programm Severus an eine feindliche Macht zu verkaufen. Und ja: Severus ist nur ein MacGuffin, eines jener narrativen Konstrukte, die Alfred Hitchcock gerne einsetzte, um die Handlung voranzubringen, auch wenn ihn eigentlich anderes viel mehr interessierte.
So wie hier auch Steven Soderbergh, der vordergründig einen Agentenfilm gedreht hat, der die typischen Ingredienzien des Genres aber nur homöopathisch einsetzt: Sehr kurze Szenen gibt es, in denen ein Auto explodiert, eine Verfolgungsjagd stattfindet, eine Kugel in einem Kopf landet. Die allermeiste Zeit der angenehm ökonomischen Filmlänge von kaum 90 Minuten, verbringen die Figuren mit Reden.
Allerdings nicht einfach banale Dialoge, sondern geschliffene Konversationen, in denen bis auf zwei Dinners, in denen alle sechs Hautfiguren anwesend sind, sich meist zwei Figuren im nicht nur unterschwellig aufgeladen erotischen Duell gegenüberstehen. Als zwei Seiten einer Medaille inszeniert Soderbergh Beziehungen und die Welt der Geheimdienste, gelogen und betrogen wird in beiden Bereichen und am Ende stellt sich hier wie da die Frage, wem man vertrauen kann. Wie so oft bei Soderbergh verbirgt sich unter der lässigen, brillanten Oberfläche eine komplexe, kühl sezierende Analyse menschlicher Emotionen, die ihn einmal mehr als einen der klügsten amerikanischen Filmemacher ausweist. Im Wust der Fortsetzungen, Remakes und Superheldenfilme, die heutzutage meist aus Hollywood kommen, wirkt „Black Bag“ umso mehr wie eine willkommene Alternative. (programmkino.de)
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So. 19:00
KÖNIGE DES SOMMERS  frz. OmU
Vingt dieux – F 2024, 90 Min.
Regie: Louise Courvoisier
mit Maïwene Barthelemy, Dimitri Baudry, Mathis Bernard
Ein beglückender Heimatfilm im besten Sinne des Wortes
Trailer zu KÖNIGE DES SOMMERS
Weiterlesen... Der 18-jährige Anthony (Clément Faveau), den alle nur Totone nennen, ist ein Draufgänger. In seinem Dorf im französischen Jura lässt er nichts aus. Mit seinen Freunden betrinkt er sich und zieht beim Dorffest auch mal vor allen Leuten blank, hat One-Night-Stands mit Mädchen, deren Namen er sich nicht merken kann, oder rast übermütig mit dem Motorrad über die Landstraßen. Doch eines Nachts nach einer Party ist das alte Leben des sorglosen Teenagers mit einem Mal vorbei, als sein Vater gegen einen Baum fährt und stirbt. Plötzlich muss Totone, der keine anderen Verwandten mehr hat, Verantwortung übernehmen und sich um seine 7-jährige Schwester Claire kümmern.
Notgedrungen nimmt er einen Job in einer Käserei an, doch schon am ersten Tag läuft alles schief: Die beiden Brüder, die dort arbeiten, haben nach einer Dorfparty noch eine Rechnung mit Totone offen, und schlagen ihn zwischen den Käseregalen zusammen. Als Totone in dem Betrieb allerdings zufällig von einem Käsewettbewerb hört, bei dem ein Preisgeld von 30.000 Euro für den besten Comté winkt, rutscht ihm ein „Vingt dieux!“ heraus, ein Kraftausdruck aus dem Jura – und zugleich der französische Filmtitel, der immer wieder vorkommt und die feste Verortung des Films in der Region deutlich macht. Totones Ehrgeiz ist entfacht: Er fasst neuen Mut, schnappt sich den alten Käsekessel seines Vaters – und gibt, unterstützt von seinen Freunden Jean-Yves (Mathis Bernard) und Francis (Dimitry Baudry) und seiner klugen kleinen Schwester Claire (Luna Garret) alles, um den besten Comté-Käse überhaupt herzustellen, obwohl er alles andere als ein Käseexperte ist. Und dann ist da noch die resolute Milchbäuerin Marie-Lise (Maïwène Barthélémy, nominiert für einen César in der Kategorie Beste Nachwuchsdarstellerin), die Schwester seiner beiden Widersacher, deren Kühe die beste Milch geben – und die nicht nur deshalb eine immer größere Rolle in Totones Leben spielt.
Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Louise Courvoisier setzt in ihrem Debütfilm Könige des Sommers, der in ihrer Heimat im französischen Jura spielt, ganz auf Realitätsnähe. Die überzeugenden Darsteller*innen sind allesamt Laien aus der Region, die in der französischsprachigen Originalfassung den dortigen Dialekt sprechen und teils – wie Maïwène Barthélémy und Clément Faveau – selbst in der Landwirtschaft tätig sind. So bekommt der Spielfilm stellenweise dokumentarischen Charakter, etwa wenn Marie-Lise ein Kalb auf die Welt holt oder Totone von Grund auf lernt, seinen eigenen Comté-Käse zu produzieren, und eine Expertin bei der Käseherstellung beobachtet. Die Kamera übernahm Elio Balézeaux, ein ehemaliger Kommilitone von Courvoisier an der CinéFabrique in Lyon, der mit Sébastien Lifshitz an dessen Dokumentarfilm Madame Hofmann (2023) arbeitete. Von Dorffesten bis zu Stock-Car-Rennen zeichnet die Regisseurin in Könige des Sommers ein ungeschliffenes und glaubhaftes Bild des Lebens auf dem Land, das jungen Menschen nicht viele Zukunftsmöglichkeiten bietet. Die französische Tageszeitung Le Monde adelte Louise Courvoisier dafür zur „La Ken Loach des Jura“.
Die 1994 geborene Regisseurin lebt nach Stationen in Lyon und Paris heute wieder in der Region, in der sie ihre Kindheit verbracht hat, und bekam für Könige des Sommers familiäre Unterstützung. Ihr Bruder Charlie und ihre Mutter Linda Courvoisier steuerten die Filmmusik bei, die ihnen eine César-Nominierung einbrachte und dem Film zusammen mit Songs wie „Kisses Sweeter Than Wine“ von Jimmie Rodgers aus dem Jahr 1957 etwas Zeitloses verleiht. Ella Courvoisier, die Schwester der Regisseurin, zeichnet für das Production Design verantwortlich, das mit den kräftigen Farben, der sommerlichen und von vielen Kühen bevölkerten Landschaft und den evozierten Gerüchen (Comté!) zur lebendigen, ungeschönten und auch sinnlichen Wirkung des Films beiträgt. Fast entsteht das Gefühl, man könne den allgegenwärtigen Käse durch die Leinwand riechen und schmecken.
Für so viel Authentizität gewann Louise Courvoisier bei den Filmfestspielen von Cannes 2024 den Prix de la Jeunesse in der Reihe Un Certain Regard und ist 2025 für Césars in den Kategorien Bestes Erstlingswerk und Bestes Originaldrehbuch nominiert – zu Recht. Ihr Könige des Sommers, den sie gemeinsam mit Marcia Romano und Théo Abadie schrieb, ist ein kitschfreier, tragikomischer und berührender Coming-of-Age-Film, in dem neben klassischen Themen wie Erwachsenwerden, Freundschaft und Liebe auch Vertrauensbrüche und Trauerbewältigung Platz finden. Doch Könige des Sommers verliert nur selten seinen optimistischen und humorvollen, mal raubeinigeren, mal gefühlvolleren lakonisch-leichten Grundton – und vieles passiert zwischen den Zeilen. So spricht Totone, der genau wie seine Freund*innen ständig in Bewegung und in der weitläufigen Gegend unterwegs ist, nicht über den Verlust seines Vaters. Stattdessen geben ihm die Unterstützung seiner Freunde und seiner Schwester bei seinem Plan, den Comté-Wettbewerb zu gewinnen, und die zärtlichen Momente mit Marie-Lise den nötigen Halt. Und fast nebenbei durchlebt der junge Protagonist – analog zum schwierigen Reifeprozess seines Comtés – eine Entwicklung vom zur toxischen Männlichkeit neigenden Teenager zum fürsorglichen Bruder und verantwortungsbewussten Freund. Totone und seine neue Ersatzfamilie, die König*innen dieses Sommers, handeln nach dem Motto: Nicht reden, sondern machen – und das gilt nicht nur für Käse. (kino-zeit.de)
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