Am 9.5. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
AUF DER ADAMANT  OmU
Aktionswoche InklusionSur l’Adamant – F 2023, 109 Min.
Regie: Nicolas Philibert
Von einem utopischen Ort der Menschlichkeit mitten in Paris
Trailer zu AUF DER ADAMANT
Weiterlesen... Am rechten Ufer der Seine, im Schatten der Pont Charles de Gaulle, im 12. Arrondissement, fern der touristischen Zentren von Paris liegt das Holzschiff mit Namen Adamant am Ufer. Tag für Tag kehren hier Menschen ein, die im Umfeld wohnen und therapeutisch begleitet werden. Sie malen, spielen Musik, beteiligen sich an der Buchhaltung und dem Ausschank von Kaffee, auch ein kleines Filmfestival wird organisiert.
Seit vielen Jahren liegt die Adamant in Paris am Ufer und ist für viele der Besucher, die man kaum Patienten nennen mag, ein zweites zu Hause geworden. Über mehrere Monate drehte der Dokumentarfilmer Nicolas Philibert auf dem Boot, fügte sich in den Tagesablauf ein, beobachtet die Therapeuten und Patienten, lässt aber vor allem letztere zu Wort kommen. Nicht in den typischen „Talking Head“-Interviews vieler zeitgenössischer Dokumentarfilme, sondern in natürlich wirkenden Gesprächen, in denen einfach zugehört wird. Bisweilen adressieren die Gesprächspartner Philibert oder seine Mitarbeiter hinter der Kamera, grundsätzlich aber hält sich der Regisseur zurück.
Vor gut 20 Jahren hatte Philibert mit diesem Ansatz auch die kleine Dorfschule gefilmt, deren Lehrer in „Sein oder Haben“ porträtiert wurde und ein großer internationaler Erfolg wurde. Viel hat sich seither im dokumentarischen Kino verändert, auch durch die Notwendigkeit den Förderinstitutionen oft schon vor dem Dreh sehr genau zu sagen, welchen Film man machen will, wurden mehr oder weniger gescriptete Dokumentationen zur Regel, Filme, bei denen schon vorher eine These geformt wurde, die dann durch passende O-Töne nur noch bestätigt werden muss.
Der inzwischen 72jährigen Philibert arbeitet ganz anderes, viel offener: Er lässt die Dinge auf sich zu kommen, verzichtet auf erklärende und oft vereinfachende Voice-Over-Kommentare, auch Texteinblendungen finden sich erst ganz am Ende. Hier stehen ganz die Menschen im Mittelpunkt, die auf der Adamant Zeit verbringen, die dort einen utopischen anmutenden Raum finden, in dem sie ihre Kreativität ausleben können, in dem sie nicht schief angeschaut werden, bloß weil sie sich ein wenig anders verhalten, als es der Norm entspricht.
Zwei weitere Filme hat Nicolas Philibert in Arbeit, die sich mit Facetten der psychiatrischen Arbeit in diesem Teil von Paris befassen werden, doch im Zuge von Einsparungen wird auch hier das Geld knapp. Erst ganz am Ende seines berührenden, zutiefst humanistischen Films öffnet Philibert mit einigen Texteinblendungen diesen Zusammenhang: Als Ort des Widerstands, an dem die Individualität der Menschen sich entfalten kann, beschreibt er die Adamant. Man kann nur hoffen, dass er erhalten bleibt.
(programmkino.de)
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Do. 20:30
DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS
D 2023, 99 Min.
Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann
mit Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin
Kafkas letzte Liebe nach dem gleichnamigen Bestseller
Trailer zu DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS
Weiterlesen... „Manchmal ist das Glück am größten, wenn es ganz klein ist“, schrieb Franz Kafka in sein Tagebuch – das Zitat steht als Motto über der Verfilmung des Romans, inszeniert vom Regie-Duo Georg Maas („Zwei Leben“) und Judith Kaufmann (Bildgestaltung für „Das Lehrerzimmer“; Co-Regie „Zwei Leben“). Ihr gemeinsamer Film bewahrt ein schönes atmosphärisches Gleichgewicht zwischen dem gelebten Glück des Moments und der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Krankheit, denn Franz Kafka ist krank – unheilbar krank, als er seine große Liebe Dora Diamant kennenlernt.
„Die Herrlichkeit des Lebens“ balanciert elegant auf dem schmalen Grat zwischen RomCom und Melodram. Das hört sich erstmal gewagt an: Franz Kafka und eine romantische Komödie? Aber es funktioniert. Im Zentrum steht ganz und gar die Liebesgeschichte der beiden ungleichen Persönlichkeiten Dora und Franz, fantastisch gut besetzt mit Henriette Confurius und Sabin Tambrea. Dem Film gelingt es, eine stimmungsvolle, leise Spannung zu bewahren, die nur wenig mit Kafkas vorsehbarem Tod zu tun hat, sondern umso mehr mit dem, was sich die beiden Liebenden gegenseitig geben können und wie sie mit dem Wissen umgehen, dass ihre Liebe ein absehbares Ende finden wird. Das hat etwas sehr Poetisches – als fein ziselierte Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichem. Visuell gelingt das durch ein zeitloses Setting, das vollkommen ohne 20er Jahre-Glamour und Vintage-Atmosphäre auskommt, und durch den Einsatz warmer, weicher Farben, was auch durch den klassisch motivierten Soundtrack unterstützt wird. Doras Engagement für die Kommunistische Partei, ihr Bekenntnis zur Arbeiterklasse und zum Judentum … all das wird gar nicht groß thematisiert, sondern gehört wie selbstverständlich zu ihrer Persönlichkeit. Auch das macht den Film interessant und spannend, er hat überhaupt nichts Besserwisserisches oder Belehrendes – das ist eine Liebesgeschichte und kein Literaturseminar.
Dabei stellen die Autoren Dora nahezu ebenso stark in den Fokus wie den Dichter. Sie ist also keinesfalls schmückendes Beiwerk, um das Leiden des Künstlers noch deutlicher zu machen – bekanntlich noch immer ein beliebtes Thema in Bildungskreisen, sondern sie ist hier eine Frau, die ihre eigene Geschichte hat. Franz und Dora begegnen sich zuerst am Ostseestrand, wo Dora eine Schar Berliner Kinder betreut. Sie fällt ihm sofort auf, und umgekehrt gilt das gleiche: Er ist tatsächlich eine faszinierende Persönlichkeit und wirkt ein bisschen schräg und schrill, nicht nur, weil er im Hochsommer am Strand im schwarzen Anzug mit Krawatte herumläuft: ein schmaler, blasser Mann von beinahe ätherischer Schönheit. Sabin Tambrea („In einem Land, das es nicht mehr gibt“) sieht Kafka sogar ein wenig ähnlich und macht aus ihm sehr glaubhaft einen humorvollen Feingeist, der vielleicht nicht direkt charmant, aber dafür sehr aufmerksam ist. Wenn er lächelt, dann hat das etwas Rührendes, als ob er das Lächeln erst noch üben muss. Tambreas Kafka ist zurückhaltend, aber nicht bedrückt und entspricht damit kaum dem landläufigen Bild von Franz Kafka.
Dora ist dagegen mehr der fröhliche und zupackende Typ. Henriette Confurius spielt sie mit natürlichem Selbstbewusstsein als mutige junge Frau, die sich ihr eigenes Leben erkämpft hat – ganz anders als Kafka, der mit seiner Familie sehr eng verbandelt ist. Franz beobachtet sie am Strand beim Tanzen, ganz ohne Voyeurismus, eher neidisch. Die beiden begegnen sich immer wieder, sie kommen ins Gespräch und werden ein Liebespaar: der schwerkranke Schriftsteller, der bisher kaum etwas veröffentlicht hat, und die lebensfrohe, viel jüngere Polin, die sich erfolgreich von ihrer Familie abgenabelt hat. Ganz allein ging sie nach Berlin, wo sie in einem jüdischen Volksheim arbeitet. Berlin ist die Traumstadt für Kafka, der Dora für ihren Mut bewundert, sich von der Familie zu lösen und ihren eigenen Weg zu gehen. Er versucht sich als Schriftsteller durchzuschlagen, ist aber auf finanzielle Unterstützung durch den Vater angewiesen. Doch für Dora macht er seinen Traum wahr und folgt ihr nach Berlin, wo sie zusammenleben. Es sind glückliche Tage, auch wenn sich Kafkas Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert.
Das Wissen um das nahe Ende ihrer Beziehung schwebt als ständige Bedrohung über dem Paar. Wie geht man damit um, wenn der geliebte Partner zum Patienten wird und wenn die Partnerin von der sinnlichen Bettgenossin zur Pflegekraft mutiert? Hier gibt es keine gepflegte, elegante TBC-Atmosphäre à la Zauberberg. Aber es gibt zwei Menschen, die sich innig lieben und die wissen, dass sie nur wenig Zeit miteinander haben. Nur der Moment ist wichtig, sagt der Film. Das Jetzt, denn in der nächsten Sekunde kann alles vorbei sein.
(programmkino.de)
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