Am 25.4. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN
Ö 2024, 93 Min.
Regie: Josef Hader
mit Birgit Minichmayr, Josef Hader, Thomas Schubert
Hader filmt Hader: Lakonische Landpartie von Schuld und Sühne.
Trailer zu ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN
Weiterlesen... „Was feiert man eigentlich am Geburtstag?“ - „Dass du nicht gestorben bist, in diesem Jahr.“ So klingen die Gespräche unter Kollegen auf dem Polizeirevier. Andrea (Brigit Minichmayr) feiert nicht nur ihr Jubiläum, sondern zugleich die anstehende Scheidung von ihrem Andi. Der künftige Ex-Gatte sucht Trost im Schnaps. Wenig später ist er tot. Überfahren von der eigenen Ehefrau. Oder vielleicht auch nicht. Jedenfalls bezichtigt sich auch Religionslehrer Franz (Josef Hader) der schweren Schuld. Als trockener Alkoholiker traut er sich schließlich alles zu. „Ab morgen wird der Koffer gepackt fürs Gefängnis“ sagt der schuldbewusste Pädagoge zur frisch verwitweten Polizistin, „weil sie so nett sind zu mir, geht’s mir noch schlechter.“
Ganz so klar ist dieser Fall freilich nicht. Auch die Polizistin wirkt nicht so recht unschuldig, ob jene Lackschäden an ihrem Auto tatsächlich von einem Wildschwein stammen, wie sie behauptet? Der Mann von der Werkstatt würde wohl ein Auge zudrücken. Ein skrupelloser Vorgesetzter ebenso. Eine Hand wäscht auf dem Land schließlich die andere. Der Niedergang in Niederösterreich scheint gleichwohl unaufhaltbar: „Die Frauen ziehen weg. Und die Männer werden immer komischer“, heißt eine verzweifelte Klage. Man dreht sich im Kreis. Symbolisch repräsentiert vom zentralen Kreisverkehr, der mit einer beleuchteten Riesenzwiebel in der Mitte sogar weit imposanter wirkt als jene zum Kult gewordene Verkehrsanlage in den Eberhofer-Krimis.
Gleich zum Auftakt präsentiert sich Hader mit visueller Wucht und Originalität. Die Kamera hält lange auf eine einsame Allee. Bis irgendwann ein Polizeiauto am Horizont auftaucht, das langsam näherkommt. Auch im Kleinen sind die Bilder groß, etwa wenn es in der Disco ein ziemlich trauriger Tanz der anrührenden Art stattfindet.
Erzählerisch zahlen sich die langjährigen Bühnenauftritte von Regisseur, Autor und Schauspieler Hader aus. Er weiß souverän mit Tempo und Timing umzugehen und kennt das dramaturgische Potenzial von gut gesetzten Pausen, die Pointen umso wirkungsvoller geraten lassen. Das Figurenkarussell ist bis in die kleinste Nebenrolle liebevoll besetzt, eine anderswo vielfach vernachlässigte Sorgfalt, die sich spürbar bezahlt macht. Bei den Dialogen ist der Wortkünstler gleichfalls um größtmögliche Präzision bemüht. „Nach Delfinen und Elefanten sind Katzen die intelligentesten Tiere. Meine Cher kann sogar die Katzenklappe öffnen“ schwärmt eine stolze Tierbesitzerin. Und bekommt als schlichte Antwort: „Wenn sie das nicht kann, ist sie ohnehin behindert.“ Mit leichten Federstrichen und scharfer Beobachtungsgabe wird die politische Befindlichkeit in der Provinz skizziert: „Mir ist alles recht. Hauptsache, es ziehen keine Türken ein“, betont ein Nachbar mit Blick auf ein freiwerdendes Haus.
Die Minichmayr und der Hader geben ein ausgesprochen lässiges Duo ab. An soviel mit Komik gepaarter Melancholie voller Zwischentöne hätte vermutlich auch ein Kaurismäki sein minimalistisches Vergnügen. Vom Debüt bis zum Zweitling hat es sieben Jahre gedauert. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Streich das Austro-Clowns nicht ähnlich lange auf sich warten lässt.
(programmkino.de)
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Do. 20:30
COLONOS  span. OmU
Los Colonos – ARG/CL/D 2023, 97 Min.
Regie: Felipe Gálvez Haberle
mit Mark Stanley, Camilo Arancibia, Benjamin Westfall
Der Zorn Gottes: Ein faszinierender, nebelverhangener Western aus der blutigen Kolonisierungszeit Chiles
Trailer zu COLONOS
Weiterlesen... Feuerland ist der Name des Archipels an der Südspitze Südamerikas, gebildet aus einer sehr großen Insel sowie unzähligen kleinen, vom Festland getrennt durch die Magellanstraße und seit 1881 aufgeteilt zwischen Chile und Argentinien. Hier, genauer: auf der Hauptinsel, sind 1901 drei Männer unterwegs, die einander nicht leiden können.
Bill (Benjamín Westfall) ist ein großmäuliger Cowboy aus Texas, ein Söldner, erprobt im Kampf gegen die Ureinwohner Nordamerikas. Der Mestize Segundo (Camilo Arancibia) wird, gegen Bills Willen, mitgenommen, weil er gut schießen kann. Alexander MacLennan (Mark Stanley), der ihn rekrutiert, kommt aus Schottland, hat in der englischen Marine gedient und gibt sich als Leutnant aus, obwohl er nur Gefreiter ist. Im Auftrag des Großgrundbesitzers José Menéndez (Alfredo Castro) suchen die drei einen sicheren Weg, auf dem dessen Schafherden zum Atlantik getrieben werden können. Unterwegs begegnen sie einem Fähnlein Soldaten, das einen Landvermesser begleitet, der den Grenzverlauf feststellt; es kommt zu sportlichem Wettstreit. Etwas später, da haben sie bereits die Küste erreicht, stoßen sie auf eine Truppe Trapper, die von einem schottischen Oberst angeführt wird, der sich als schwer derangiert erweist; diesmal ist der Wettstreit kein sportlicher. Dazwischen metzeln sie ein kleines Häufchen indigener Nomaden vom Volk der Selk´nam nieder; Segundo macht dabei nicht mit, kann sich aber auch nicht zur Gegenwehr entschließen. Er hätte ohnehin keine Chance.
»Colonos« ist das Langfilmdebüt des seit einigen Jahren in Paris lebenden chilenischen Drehbuchautors und Cutters Felipe Gálvez Haberle, uraufgeführt im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes in der Sektion »Un Certain Regard«. Der Film ist ein Western aus Lateinamerika, gedreht im Normalformat, das auch das Format des klassischen US-amerikanischen Western ist – mit dem er zudem das Motiv der gewaltsamen Landnahme gemeinsam hat; die wiederum ist eng verknüpft mit dem Massenmord an jenen Völkern, die den vorgeblich zu zivilisierenden Raum ursprünglich bewohnen. »Colonos« adressiert ein Kapitel der Geschichte Chiles, das von offizieller Seite mit ebensolcher Hartnäckigkeit gemieden wird wie die Verbrechen der Militärdiktatur unter Pinochet.
Wobei Haberle im Verlauf der exemplarisch entworfenen Handlung historisch verbürgtes Personal auftreten lässt: José Menéndez (1846–1918) beispielsweise, dessen wirtschaftliche Interessen im Film den Mordauftrag motivieren, denn die Selk´nam betrachten seine Schafe, »das weiße Gold«, als Allgemeingut und jagen sie. Ein Menéndez-Denkmal steht heute noch in Punta Arenas. Auch Alexander MacLennan (1871–1917) ist eine historische Figur. Er soll sich bei seinen Vernichtungsfeldzügen durch besonderen sadistischen Einfallsreichtum ausgezeichnet haben und ging dafür nicht nur als »Red Pig« in die (Kolonial-)Geschichte ein, sondern auch als Namensgeber einiger chilenischer Straßen. Im Schlusskapitel des Films begegnen wir zudem einem Wiedergänger des Richters Waldo Seguel, der seinerzeit im Auftrag von Präsident Pedro Montt die Vorgänge im Nachgang untersuchte und zahlreiche Zeugenaussagen zusammentrug – woraus allerdings, wenig überraschend, nichts weiter folgte.
All dies zu wissen ist hilfreich, aber nicht Bedingung, um in »Colonos« ein herausragend komponiertes filmisches Werk zu sehen. Haberle nutzt die Möglichkeiten eines Genres, in dem herzlich gern gelogen wird, um der Wahrheit Geltung zu verschaffen. Aus dem Zusammenwirken von Harry Allouches treibender, percussionsfundierter Musik, Simone D´Arcangelos gesättigten Bildern trüber Landschaften und Matthieu Taponiers energischer Montage entwickelt sich ein Sog. Er führt vom Abgrund in die Hölle, vom Morallosen ins Unmenschliche, bildet den Taumel der Barbarei ab. Am Ende blicken wir in das Gesicht einer Überlebenden, den Tatsachen ins Auge. (epd-film)
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