Am 5.4. zeigt das Kinoptikum

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Fr. 18:00
ONLY THE RIVER FLOWS  OmU
He bian de cuo wu – CHN 2023, 106 Min.
Regie: Wei Shujun
mit Zhu Yilong, Chloe Maayan, Hou Tianlai
Ein atmosphärischer Neo-Noir aus der chinesischen Provinz
Trailer zu ONLY THE RIVER FLOWS
Weiterlesen... Die 90er Jahre waren in China eine einigermaßen finstere Zeit: Viele Menschen standen noch unter dem Eindruck der gewaltsam niedergeschlagenen Proteste – unter anderem auf dem Tian‘anmen-Platz, dem Platz des himmlischen Friedens im Jahr 1989. Der Wirtschaftsboom war noch längst nicht in Sicht, eine Art stille Verzweiflung hatte sich wie Mehltau über das Land gelegt. Diese Stimmung fängt Wei Shujun perfekt ein, und in dieser beklemmenden Atmosphäre spielt die Geschichte von Inspektor Ma Zhe, der in einem Serienkiller-Fall ermittelt. Ein Mörder hat mehrfach in einem Dorf zugeschlagen und seine Opfer scheinbar wahllos getötet. Ma Zhes Vorgesetzte machen Druck, der Fall soll möglichst schnell erfolgreich abgeschlossen werden, doch Ma Zhe hat entschiedene Zweifel, dass der offensichtlich am meisten Verdächtigte, ein kognitiv herausgeforderter Mann, tatsächlich der Täter ist. Und Ma Zhe hat recht: Weitere grausame Morde geschehen, doch die ländliche Stadt Banpo, die Schauplatz dieser Verbrechen ist, gibt ihre Geheimnisse nur zögerlich preis. Je verbissener Ma Zhe ermittelt, desto verworrener wird der Fall. Schließlich kann der verwirrte Ermittler kaum noch zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden.
Die finstere Atmosphäre der Handlung – die noch verstärkt wird durch die Sorgen um das Baby von Ma Zhes Frau Bai Jie, das möglicherweise behindert zur Welt kommen wird – hat Kameramann Chengma Zhiyuan in eine kongeniale Bildersprache umgesetzt. Von Einstellung zu Einstellung wird sie düsterer, je mehr sich Ma The ins Dickicht seiner eigenen Ermittlungen verstrickt. Die Schauspieler, allen voran Zhu Yilong als getriebener Ermittler, überzeugen durch Understatement. Er zeigt die Einsamkeit eines Menschen, der hin und her gerissen wird von Zweifeln. Dabei wird kaum etwas klar ausgesprochen, vieles verharrt in Andeutungen, was tatsächlich sehr wirkungsvoll ist und den Eindruck eines Irrgartens verstärkt, in dem sich der Ermittler bewegt, ohne voranzukommen.
Letztlich ist „Only The River Flows“ eine Hommage an die rätselhaften Filme Jean-Pierre Melvilles und an die komplexe Erzählweise von Polanskis Meisterwerk „Chinatown“. Der eigentliche Kriminalfall erweist sich als Symptom für die Krankheit einer Gesellschaft – und er bleibt so lange unlösbar, wie die Gesellschaft nicht geheilt werden kann.
Inspektor Ma Zhe wird sich den Dämonen stellen müssen, die er beim Blick in die menschlichen Abgründe erblickt hat und die seine Vorgesetzten nicht sehen wollen. Und gleich nebenan warten vielleicht schon neue Albträume. (programmkino.de)
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Fr. 20:30
A GREAT PLACE TO CALL HOME  DF
Jules – USA 2023, 90 Min.
Regie: Marc Turtletaub
mit Ben Kingsley, Jade Quon, Harriet Sansom Harris
Nach Hause telephonieren? Die liebenswürdige Indie-Ballade von der unheimlichen Begegnung eines knorrigen Seniors mit einem Alien
Trailer zu A GREAT PLACE TO CALL HOME
Weiterlesen... Boonton in West Pennsylvania ist eine langweilige Kleinstadt, die man am liebsten im Rückspiegel betrachtet. Dort lebt Milton – virtuos und mit kleinen, feinen Mitteln vom großen Ben Kingsley gespielt – ganz allein in einem großen Haus. Milton hält sich fit, indem er zu Fuß zu den Bürgerversammlungen ins Rathaus marschiert, wo er regelmäßig dieselben Anträge einbringt, die regelmäßig abgeschmettert werden. Alte Menschen werden in Boonton zwar nicht direkt ausgelacht, aber sie werden auch nicht ernst genommen.
Doch dann ändert sich Miltons kleine Welt von einem Tag auf den anderen, als ein UFO in seinen sorgfältig gepflegten Garten stürzt. In dem UFO befindet sich ein Alien, das sich beim Absturz verletzt hat. Milton lässt das fremde Wesen bei sich wohnen, päppelt es auf und bleibt wie immer vollkommen gelassen.
Regisseur Marc Turtletaub hat zuvor so wunderbare Filme wie „Little Miss Sunshine“ und „The Farewell“ produziert, die ebenfalls durch ihre einzigartige Atmosphäre überzeugten. Auch in „A Great Place to Call Home“ herrscht ein unverwechselbares Flair, ein Mix aus Kleinstadtstaub, rebellischer Altersmelancholie und einer liebenswürdigen, leicht durchgeknallten Grundstimmung. So wird man ganz von selbst in die ruhige, mit sanftem Humor erzählte Geschichte über Freundschaft und den Kampf gegen die Einsamkeit hineingezogen und erlebt auch eine witzige, kluge Abrechnung mit einer Gesellschaft, die glaubt, älteren Menschen mit Ignoranz und Geringschätzung begegnen zu können.
„A Great Place to Call Home“ ist ein unabhängiger Indie-Film, alles andere als Mainstream oder große Action, es ist aber mit Sicherheit ein Film, der lange nachwirkt – allerbeste Unterhaltung zum Nachdenken. Und der dafür sorgt, dass man hin und wieder in den Himmel schaut, um nachzusehen, ob nicht zufällig gerade ein Alien vor der Haustür landet. (programmkino.de)
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