Am 17.5. zeigt das Kinoptikum

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Fr. 18:00
DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS
D 2023, 99 Min.
Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann
mit Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin
Kafkas letzte Liebe nach dem gleichnamigen Bestseller
Trailer zu DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS
Weiterlesen... „Manchmal ist das Glück am größten, wenn es ganz klein ist“, schrieb Franz Kafka in sein Tagebuch – das Zitat steht als Motto über der Verfilmung des Romans, inszeniert vom Regie-Duo Georg Maas („Zwei Leben“) und Judith Kaufmann (Bildgestaltung für „Das Lehrerzimmer“; Co-Regie „Zwei Leben“). Ihr gemeinsamer Film bewahrt ein schönes atmosphärisches Gleichgewicht zwischen dem gelebten Glück des Moments und der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Krankheit, denn Franz Kafka ist krank – unheilbar krank, als er seine große Liebe Dora Diamant kennenlernt.
„Die Herrlichkeit des Lebens“ balanciert elegant auf dem schmalen Grat zwischen RomCom und Melodram. Das hört sich erstmal gewagt an: Franz Kafka und eine romantische Komödie? Aber es funktioniert. Im Zentrum steht ganz und gar die Liebesgeschichte der beiden ungleichen Persönlichkeiten Dora und Franz, fantastisch gut besetzt mit Henriette Confurius und Sabin Tambrea. Dem Film gelingt es, eine stimmungsvolle, leise Spannung zu bewahren, die nur wenig mit Kafkas vorsehbarem Tod zu tun hat, sondern umso mehr mit dem, was sich die beiden Liebenden gegenseitig geben können und wie sie mit dem Wissen umgehen, dass ihre Liebe ein absehbares Ende finden wird. Das hat etwas sehr Poetisches – als fein ziselierte Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichem. Visuell gelingt das durch ein zeitloses Setting, das vollkommen ohne 20er Jahre-Glamour und Vintage-Atmosphäre auskommt, und durch den Einsatz warmer, weicher Farben, was auch durch den klassisch motivierten Soundtrack unterstützt wird. Doras Engagement für die Kommunistische Partei, ihr Bekenntnis zur Arbeiterklasse und zum Judentum … all das wird gar nicht groß thematisiert, sondern gehört wie selbstverständlich zu ihrer Persönlichkeit. Auch das macht den Film interessant und spannend, er hat überhaupt nichts Besserwisserisches oder Belehrendes – das ist eine Liebesgeschichte und kein Literaturseminar.
Dabei stellen die Autoren Dora nahezu ebenso stark in den Fokus wie den Dichter. Sie ist also keinesfalls schmückendes Beiwerk, um das Leiden des Künstlers noch deutlicher zu machen – bekanntlich noch immer ein beliebtes Thema in Bildungskreisen, sondern sie ist hier eine Frau, die ihre eigene Geschichte hat. Franz und Dora begegnen sich zuerst am Ostseestrand, wo Dora eine Schar Berliner Kinder betreut. Sie fällt ihm sofort auf, und umgekehrt gilt das gleiche: Er ist tatsächlich eine faszinierende Persönlichkeit und wirkt ein bisschen schräg und schrill, nicht nur, weil er im Hochsommer am Strand im schwarzen Anzug mit Krawatte herumläuft: ein schmaler, blasser Mann von beinahe ätherischer Schönheit. Sabin Tambrea („In einem Land, das es nicht mehr gibt“) sieht Kafka sogar ein wenig ähnlich und macht aus ihm sehr glaubhaft einen humorvollen Feingeist, der vielleicht nicht direkt charmant, aber dafür sehr aufmerksam ist. Wenn er lächelt, dann hat das etwas Rührendes, als ob er das Lächeln erst noch üben muss. Tambreas Kafka ist zurückhaltend, aber nicht bedrückt und entspricht damit kaum dem landläufigen Bild von Franz Kafka.
Dora ist dagegen mehr der fröhliche und zupackende Typ. Henriette Confurius spielt sie mit natürlichem Selbstbewusstsein als mutige junge Frau, die sich ihr eigenes Leben erkämpft hat – ganz anders als Kafka, der mit seiner Familie sehr eng verbandelt ist. Franz beobachtet sie am Strand beim Tanzen, ganz ohne Voyeurismus, eher neidisch. Die beiden begegnen sich immer wieder, sie kommen ins Gespräch und werden ein Liebespaar: der schwerkranke Schriftsteller, der bisher kaum etwas veröffentlicht hat, und die lebensfrohe, viel jüngere Polin, die sich erfolgreich von ihrer Familie abgenabelt hat. Ganz allein ging sie nach Berlin, wo sie in einem jüdischen Volksheim arbeitet. Berlin ist die Traumstadt für Kafka, der Dora für ihren Mut bewundert, sich von der Familie zu lösen und ihren eigenen Weg zu gehen. Er versucht sich als Schriftsteller durchzuschlagen, ist aber auf finanzielle Unterstützung durch den Vater angewiesen. Doch für Dora macht er seinen Traum wahr und folgt ihr nach Berlin, wo sie zusammenleben. Es sind glückliche Tage, auch wenn sich Kafkas Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert.
Das Wissen um das nahe Ende ihrer Beziehung schwebt als ständige Bedrohung über dem Paar. Wie geht man damit um, wenn der geliebte Partner zum Patienten wird und wenn die Partnerin von der sinnlichen Bettgenossin zur Pflegekraft mutiert? Hier gibt es keine gepflegte, elegante TBC-Atmosphäre à la Zauberberg. Aber es gibt zwei Menschen, die sich innig lieben und die wissen, dass sie nur wenig Zeit miteinander haben. Nur der Moment ist wichtig, sagt der Film. Das Jetzt, denn in der nächsten Sekunde kann alles vorbei sein.
(programmkino.de)
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Fr. 20:30
MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG  DF
Family EntertainmentC´è ancora domani – IT 2023, 118 Min.
Regie: Paola Cortellesi
mit Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano
Großartig komponiertes Cinema italiano mit feministischer Grandezza
Trailer zu MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG
Weiterlesen... Italien, 1946. In einem ganz normalen Wohnblock in Rom lebt Delia (Paola Cortellesi) ein allzu normales Eheleben: Ihr Mann Ivano (Valerio Mastandrea) geht zur Arbeit, Delia kümmert sich um den siechen Großvater und die drei Kinder, zwei kleinere Jungs und die fast erwachsene Marcella (Romana Maggiora Vergano), bessert zusätzlich das stets zu knappe Geld mit allerlei kleinen Jobs auf – und wird bei jeder Gelegenheit von ihrem Mann geschlagen.
„Warum gehst du nicht?“ fragt Marcella einmal ihre Mutter, längst weiß die Tochter, was hinter der verschlossenen Tür des elterlichen Schlafzimmers vor sich geht. Aber Delia kann und will nicht einfach verschwinden und ihre Kinder bei Ivano zurücklassen, zu stark ist ihr Verantwortungsgefühl. So sind die Dinge eben, das wird ihr immer wieder deutlich gemacht, von Ivano sowieso, aber auch von der Gesellschaft und ihrem Großvater. Der erklärt Ivano einmal, wie er das bei seiner Frau gehandhabt hat: Nicht immer leichte Schläge, sondern regelmäßig eine große Tracht Prügel, das habe gereicht.
Kaum zu glauben, dass es Paola Cortellesi als Hauptdarstellerin, Co-Autorin und Regisseurin in Personalunion gelang, aus diesem Stoff einen geradezu beschwingten, am Ende durch und durch optimistischen Stoff zu machen. Denn das das Thema Gewalt in der Ehe und auch dessen extremste Form Femizid auch im Italien der Gegenwart keineswegs verschwunden ist, zeigte ein Mord, der kurz nach Start von „Morgen ist auch noch ein Tag“ Italien erschütterte. Im November 2023 wurde eine 22jährige Frau von ihrem Ex-Freund ermordet, landesweite Demonstrationen folgten, das Thema Femizid wurde – einmal mehr – intensiv diskutiert.
Das Gewalt gegen Frauen ein Aspekt der Machogesellschaft ist, deutet Cortellesi immer wieder an, etwa wenn sie den unterschiedlichen Umgang Ivanos mit seiner Tochter und den beiden Söhnen zeigt. Wird die eine an der kurzen Leine gehalten, dürfen sich die Jungs alles erlauben. Ihr Weg zu zukünftigen Machos – und Schlägern? – scheint vorgezeichnet.
Auch durch die markante schwarz-weiße Fotografie mag „Morgen ist auch noch ein Tag“ wie eine Reminiszenz an den italienisieren Neorealismus erinnern, der in der Nachkriegszeit von sozialen Problemen erzählte. Doch Cortellesi hat ein Stilmittel gefunden, der ihren Film zu etwas ganz anderem macht, der die Gewalt erträglich wirken lässt: Tanznummern. Wenn immer Ivano die Hand erhebt, beginnt Musik zu spielen, bewegen sich Ivano und Delia geschmeidig über das Parkett, werden die angedeuteten Schläge zu choreographierten Bewegungen. Auf dem Papier mag sich das anhören wie die Banalisierung von Gewalt, wie ein Ausweichen vor der harten Realität. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn auch wenn die Gewalt nicht zu sehen ist: In Delias Mimik, Gestik, ihrer ganzen Körpersprache ist sie zu spüren, nicht als offene Wunde, sondern als Last auf ihrer Seele.
Dass Paola Cortellesis Film in seiner Heimat ein solcher Erfolg war, zeigt auch, wie wichtig ein Film wie „Morgen ist auch noch ein Tag“ ist, auch über seine filmischen Qualitäten hinaus.
(programmkino.de)
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