Am 16.5. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG  it. OmU
Family EntertainmentC´è ancora domani – IT 2023, 118 Min.
Regie: Paola Cortellesi
mit Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano
Großartig komponiertes Cinema italiano mit feministischer Grandezza
Trailer zu MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG
Weiterlesen... Italien, 1946. In einem ganz normalen Wohnblock in Rom lebt Delia (Paola Cortellesi) ein allzu normales Eheleben: Ihr Mann Ivano (Valerio Mastandrea) geht zur Arbeit, Delia kümmert sich um den siechen Großvater und die drei Kinder, zwei kleinere Jungs und die fast erwachsene Marcella (Romana Maggiora Vergano), bessert zusätzlich das stets zu knappe Geld mit allerlei kleinen Jobs auf – und wird bei jeder Gelegenheit von ihrem Mann geschlagen.
„Warum gehst du nicht?“ fragt Marcella einmal ihre Mutter, längst weiß die Tochter, was hinter der verschlossenen Tür des elterlichen Schlafzimmers vor sich geht. Aber Delia kann und will nicht einfach verschwinden und ihre Kinder bei Ivano zurücklassen, zu stark ist ihr Verantwortungsgefühl. So sind die Dinge eben, das wird ihr immer wieder deutlich gemacht, von Ivano sowieso, aber auch von der Gesellschaft und ihrem Großvater. Der erklärt Ivano einmal, wie er das bei seiner Frau gehandhabt hat: Nicht immer leichte Schläge, sondern regelmäßig eine große Tracht Prügel, das habe gereicht.
Kaum zu glauben, dass es Paola Cortellesi als Hauptdarstellerin, Co-Autorin und Regisseurin in Personalunion gelang, aus diesem Stoff einen geradezu beschwingten, am Ende durch und durch optimistischen Stoff zu machen. Denn das das Thema Gewalt in der Ehe und auch dessen extremste Form Femizid auch im Italien der Gegenwart keineswegs verschwunden ist, zeigte ein Mord, der kurz nach Start von „Morgen ist auch noch ein Tag“ Italien erschütterte. Im November 2023 wurde eine 22jährige Frau von ihrem Ex-Freund ermordet, landesweite Demonstrationen folgten, das Thema Femizid wurde – einmal mehr – intensiv diskutiert.
Das Gewalt gegen Frauen ein Aspekt der Machogesellschaft ist, deutet Cortellesi immer wieder an, etwa wenn sie den unterschiedlichen Umgang Ivanos mit seiner Tochter und den beiden Söhnen zeigt. Wird die eine an der kurzen Leine gehalten, dürfen sich die Jungs alles erlauben. Ihr Weg zu zukünftigen Machos – und Schlägern? – scheint vorgezeichnet.
Auch durch die markante schwarz-weiße Fotografie mag „Morgen ist auch noch ein Tag“ wie eine Reminiszenz an den italienisieren Neorealismus erinnern, der in der Nachkriegszeit von sozialen Problemen erzählte. Doch Cortellesi hat ein Stilmittel gefunden, der ihren Film zu etwas ganz anderem macht, der die Gewalt erträglich wirken lässt: Tanznummern. Wenn immer Ivano die Hand erhebt, beginnt Musik zu spielen, bewegen sich Ivano und Delia geschmeidig über das Parkett, werden die angedeuteten Schläge zu choreographierten Bewegungen. Auf dem Papier mag sich das anhören wie die Banalisierung von Gewalt, wie ein Ausweichen vor der harten Realität. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn auch wenn die Gewalt nicht zu sehen ist: In Delias Mimik, Gestik, ihrer ganzen Körpersprache ist sie zu spüren, nicht als offene Wunde, sondern als Last auf ihrer Seele.
Dass Paola Cortellesis Film in seiner Heimat ein solcher Erfolg war, zeigt auch, wie wichtig ein Film wie „Morgen ist auch noch ein Tag“ ist, auch über seine filmischen Qualitäten hinaus.
(programmkino.de)
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Do. 20:30
ALLE HASSEN JOHAN  OmU
Alle hater Johan – N 2022, 93 Min.
Regie: Hallvar Witzø
mit Pål Sverre Hagen, Ingrid Bolsø Berdal, Ingunn Beate Øyen
Die skurrile Story eines explosiven Außenseiters im hohen Norden
Trailer zu ALLE HASSEN JOHAN
Weiterlesen... Johan ist ein explosiver Mann. Die Lust daran, Dinge mit Dynamitstangen in die Luft zu sprengen, wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Schon als Baby begleitete er in der Endphase des Zweiten Weltkriegs seine Eltern, die als Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzungstruppen kämpften. Dass sie dabei etwas zu eigenständig vorgingen und schon mal die falsche Brücke in die Luft sprengten, sorgte dafür, dass sie und vor allem Johan von den anderen Bewohnern des kleinen Dorfes nicht gemocht, um nicht zu sagen, gehasst wurden.
Ein Problem, denn auf der kleinen Insel Frøya, nur etwa 100 Kilometer westlich von Trondheim gelegen, aber doch fernab der Welt, kennt jeder jeden und so kann Johan nicht in der Anonymität verschwinden. Erst recht nicht, da er als Erwachsener ein Berg von einem Mann ist, knapp zwei Meter groß, mit langen Haaren und dichtem Bart. So kehrt Johan (Pål Sverre Hagen) mit Anfang 30 auf die Insel zurück, 1974 ist es inzwischen, doch die Narben der Vergangenheit sind tief: Seine Eltern haben sich nach dem Krieg beim Minenräumen in die Luft gesprengt, vor allem jedoch ist da Solvor (Ingrid Bolsø Berdal), Johans Jugendliebe, die er bei einem Unfall mit Dynamit schwer verletzte. Seitdem sitzt sie im Rollstuhl und ist nicht gut auf Johan zu sprechen.
Jahre später, Anfang der 90er Jahre, Johans Bart wird langsam weiß, scheint er mit der Vietnamesin Pey (Vee Vimolmal) sein Glück gefunden zu haben, doch das Schicksal meint es (noch) nicht gut mit ihm.
Fast könnte man diesen Johan für einen modernen, norwegischen Hiob halten, für eine Figur, dem das Schicksal – und ein erbarmungsloser, fast sadistischer Drehbuchautor – Schicksalsschläge in den Weg legt, die ihn sehr lange daran hindern, sein am Ende natürlich verdientes Glück zu finden.
Bisweilen hat man fast Mitleid mit diesem Johan, der nichts Böses an und in sich hat und dennoch ein Außenseiter bleibt. Der Postbote schikaniert ihn, Mitschüler hänseln ihn, seine Eltern werden nicht auf einem Denkmal für Widerstandskämpfer genannt, weil sie zu eigenständig waren. Allein Solvor behält ihn immer ihm Herzen, auch wenn sie es viele Jahre lang nicht zuzugeben wagt.
In der Einsamkeit einer norwegischen Insel hat Hallvar Witzø eine ideale Landschaft für seine Geschichte gefunden, vor allem aber mit Pål Sverre Hagen einen idealen Hauptdarsteller, dessen markantes Gesicht und vor allem dessen traurige Augen mehr sagen als Worte könnten. Was als typischer, einfach nur skurriler skandinavischer Film beginnt, entwickelt sich am Ende zu einem tieftraurigen und doch wunderschönen Film über einen Mann, der erst nach Jahrzehnten sein Glück findet – zumindest für einen kurzen Moment.
(programmkino.de)
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