KinderKino – NL/B/LUX 2024, 70 Min. Regie: Mascha Halberstadt
Die Waldbewohner versus den nagenden Superschurken
Weiterlesen...Das Leben im Wald kann wirklich schön sein, und am schönsten ist es, wenn Fuchs und Hase eine Party feiern. Dann gibt’s nämlich jede Menge Kuchen und eine ultra-coole Wasserrutschbahn, auf der ihre Freunde, das Wildschwein, die Robbe und der Pinguin, so richtig Spaß haben. Dass das schöne Partyleben ein Ende hat, merkt die Eule bei ihrer Nachtwache als Erste. Im Wald plätschert es gewaltig, denn der Biber hat mit Hilfe seiner rüpeligen Rattenkumpels, sein Lebenswerk vollendet: einen riesigen Damm, der einen gewaltigen Stausee verursacht hat, in dessen Mitte nun der Vergnügungspark des Bibers steht. Diese größenwahnsinnige Konstruktion droht jetzt, den Wald unter Wasser zu setzen. Also starten Fuchs und Hase eine Rettungsaktion, die es in sich hat. Sie müssen zahlreiche Abenteuer bestehen und Hindernisse überwinden, bis sie den Biber davon überzeugt haben, dass Freundschaft wichtiger ist als sein übergroßes Ego. „Fuchs und Hase retten den Wald“ stellt ein klassisches Thema des Kinderkinos in den Mittelpunkt: den Wert der Freundschaft. Gemeinsam ist man immer stärker als jeder Einzelkämpfer, und diese Botschaft tragen auch Fuchs und Hase nach 70 turbulenten Kinominuten zurück in ihren endlich geretteten Wald. Dabei müssen sie einen wirklich formidablen Gegner vom Wert der Freundschaft überzeugen, denn der größenwahnsinnige Biber zählt nicht nur zu den inspiriertesten, sondern auch zu den possierlichsten Kinderkino-Schurken der letzten Jahre. Aktuelle Anspielungen sowie Ähnlichkeiten mit gewissen narzisstischen Persönlichkeiten des globalen öffentlichen Lebens dürften dabei nicht ganz zufällig sein. Der Riesenstaudamm nebst megalomaner Jahrmarktsinsel ist herrlich albern visualisiert, und – wie alle Figuren des Animationsensembles – mit zahllosen liebenswerten Details ausgestattet. Das wird nicht nur den kleinen Zuschauern Freude machen, auch Erwachsene, ob als Begleitung oder einfach als Fans handwerklich gut gemachter Animation, werden sich dank der Anspielungen und Filmzitate bestens unterhalten. Die Animation erscheint auf den ersten Blick einfach und wenig detailreich, ist jedoch durchaus raffiniert gestaltet: Die Figuren wurden vorab aus Ton gefertigt und eingescannt, dann wurde der Film mit einer entsprechenden Animations-Software erstellt. Das Ergebnis ist ein Film, der an Stop-Motion-Animation erinnert, jedoch wesentlich dynamischere und fließendere Bewegungen zeigt. Durch diese „digitale Handwerkskunst“ ist es der Regisseurin Mascha Halberstadt gelungen, den herrlich schrulligen Charakteren glaubhaft Leben einzuhauchen. Ein Extralob gebührt den wunderbar bescheuerten Helfershelfern des Bibers, den „Pi-Ratten“. Die reichlich vorhandene, zum Teil slapstickhafte Action wird ebenso dabei ankommen wie die eingestreuten Musiknummern, deren Ironie jedoch eher auf Erwachsene abzielt. Wobei es hier erneut der Biber ist, der schon mit seinem Vorstellungssong gnadenlos abräumt. Doch wie heißt die alte Drehbuch-Regel? „Je stärker der Schurke, desto stärker der Film.“ Und „Fuchs und Hase retten den Wald“ ist ein sehr starker Kinderfilm. (programmkino.de)Ausblenden
Zum 70sten: Die Rückkehr der Riesenechse in Japans Stunde Null.
Weiterlesen...Zum Ende des Zweiten Weltkriegs landet der Kamikazeflieger Koichi mit angeblich defekter Maschine auf dem Stützpunkt auf der Odo-Insel. In der Nacht taucht Godzilla auf, vor dem die Einheimischen gewarnt haben. Er tötet fast alle Menschen des Stützpunkts. Nach dem Krieg kommt Koichi nach Hause, lernt eine Frau mit Baby kennen und sucht nach Arbeit. Die findet er auch: Auf einem Schiff, das Minen im Meer zur Detonation bringen soll. Doch dann erhebt sich aus dem Meer Godzilla – größer und tobsüchtiger, denn je. Das Monster nimmt Kurs auf Tokio. Der Film spielt mehrere Jahre vor dem ersten „Godzilla“ aus dem Jahr 1954. Er ist aber weniger ein Prequel, als vielmehr der Beginn einer alternativen Erzähllinie. Vor allem jedoch ist „Godzilla Minus One“ ein Triumph, der zeigt, wie man Filme mit Riesenmonstern umsetzen muss. Während bei den amerikanischen Filmen des MonsterVerse rund um Godzilla und Co. die menschlichen Figuren farblos, uninteressant und stereotyp sind, funktioniert die neue Toho-Produktion auch und gerade deswegen so gut, weil man als Zuschauer in die Figuren investieren kann. Dies sind Menschen mit wirklichen Problemen, Ängsten, Hoffnungen, Traumata, denen sie nicht entgehen können. In seinen besten Momenten ist „Godzilla Minus One“ auch ein Film über das Grauen des Kriegs und wie es selbst im Frieden nachwirkt. Zugleich erlaubt sich Autor und Regisseur Takashi Yamazaki Kritik an der Regierung, die den Krieg forcierte, der das eigene Volk mehrheitlich egal war und die junge Soldaten in den Kamikazetod trieb. Das ist erstaunlich kritisch, verleiht dem Film damit aber eine Tiefe, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Er arbeitet natürlich auch mit dem nationalen Trauma des Atombombenabwurfs. Als Godzilla eine Stadt verheert und mit seinem Hitzestrahl eine Explosion wie bei einer Atombombe heraufbeschwört, wird der Film ganz still – bis Godzillas Schrei wieder ertönt und der schwarze Regen auf Koichi herunterprasselt. Das sind starke Bilder, die in Japan sicherlich noch mehr Wirkung erzeugen, als hier. Die Effekte sind großartig. Sie können es mit jeder US-Produktion aufnehmen. Der Look von Godzilla orientiert sich wieder an dem des allerersten Films. Zugleich bringt Yamazaki aber auch ein paar Neuerungen ein, die erfrischend sind. Die Musik ist drängend und bombastisch, bei den Angriffen Godzillas wird sogar der Score des Originalfilms von 1954 zitiert. „Godzilla Minus One“ ist ein großer, epischer Film mit mehr als genug Monsteraction, aber er garniert diese auch mit den Elementen echten Dramas, denen selbst das typisch-japanische Übertreiben so mancher Mimen nichts anhaben kann. Nach „Shin Godzilla“ zeigt Toho erneut, wie man einen Monster-Blockbuster machen muss, nur dass „Godzilla Minus One“ sogar noch besser ist als der Film von 2016. (programmkino.de)Ausblenden
Sa. 20:30
NEUIGKEITEN AUS LAPPLAND
Ohjus – FIN/EST 2024, 119 Min. Regie: Miia Tervo
mit Oona Airola, Pyry Kähkönen, Hannu-Pekka Björkman
Finnischer Feinsinn voll schräger Figuren am Polarkreis
Weiterlesen...Es ist immer irgendwie verdächtig, wenn man vom eigenen Autoanhänger überholt wird. Genau das passiert Niina, als sie mit ihren beiden Kindern und dem frisch geschlagenen Weihnachtsbaum zurück nach Hause fährt. Leider kann Niina weder den Anhänger noch das Unglück aufhalten – er kracht mitsamt dem schönen Baum ungebremst ins Schaufenster der „Lappland News“, der einzigen Zeitung im weiten Umkreis. Um den Schaden wieder gutzumachen, bietet Niina dem verlotterten Chefredakteur des Käseblättchens an, dass sie für ihn Artikel schreibt. Er willigt ein, doch Niinas erste Gehversuche als Reporterin sind eher unbeholfen. Angesichts der Tatsache, dass der meistgelesene Artikel im letzten Jahr davon handelte, dass Aimi Pirkola beim Eisangeln einen Strumpf verloren hat, muss Niina auch ihre Ansprüche an eine interessante Story etwas zurückschrauben. Ihre große Stunde schlägt, als sie eines Nachts einen ohrenbetäubenden Knall hört. Da muss was abgestürzt sein, denkt Niina und beginnt ihre Recherchen. Während sie immer mehr Indizien dafür entdeckt, dass eine sowjetische Rakete in den vereisten See gestürzt ist, wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt: Niinas Ex-Mann wird aus der Haft entlassen und meldet Ansprüche an. Das könnte Ärger bedeuten, nicht nur, weil sich Niina mittlerweile in den feschen Militärpiloten Kai verliebt hat, sondern auch, weil sie inzwischen gelernt hat, Nein zu sagen. Die Handlung entwickelt sich durch zahllose verzwickte Verwicklungen zu einer komplexen Geschichte mit zunächst einmal viel Situationskomik und originellen Charakteren: Da ist der Zeitungschef Esko, ein äußerlich verwahrloster Typ mit dem schlimmsten Vokuhila aller Zeiten, der hinter seiner Ruppigkeit ein sehr weiches Herz versteckt. Ebenfalls originell, allerdings deutlich weniger sympathisch ist Tapio, Niinas Ex-Mann, der sich sofort nach der Entlassung aus dem Knast in Niinas Wohnzimmer breitmacht und sich an die beiden Kinder ranmeiert. Niinas resolute Schwester Kaisa, die nicht nur Haare auf den Zähnen hat, sondern auch schon mal kräftig zulangen kann, schmeißt ihn achtkantig raus. Tapio lässt jedoch nicht locker und schreckt nicht einmal davor zurück, vor Niina auf die Knie zu gehen, um sie wieder zurückzugewinnen. Angeblich ist er jetzt ein ganz anderer Mensch. Keine Gewalt mehr, auch nicht gegenüber Niina. Kann sie ihm wirklich trauen? So wie Niina sich zu Anfang verhält, ist sie beinahe das perfekte Opfer. Oona Airola spielt sie sehr gut als Frau, die jede Gemeinheit hinnimmt wie einen unvermeidbaren Schicksalsschlag, schweigend und geduldig, sie ist hochgradig unsicher und lässt sich ohne Gegenwehr beleidigen. Und sie kommt damit keinen Zentimeter weiter, denn die Zahl der Menschen, die Respekt vor ihr haben, ist erschütternd niedrig. Das wirft interessante Parallelen auf: Niina, die Frau, die sich eigentlich prinzipiell nicht zur Wehr setzt, wenn man sie körperlich oder seelisch verletzt, verhält sich ähnlich wie das Land, in dem sie lebt. So wie Niina sich von ihrem Ex-Mann und von allen möglichen und unmöglichen anderen Leuten, meistens Männern, schlecht behandeln bis unterdrücken lässt, geht es im Grunde auch ganz Finnland. 1500 Kilometer Grenze zur Sowjetunion machen das Land angreifbar und verletzlich, aber da wird dann eben lieber geschwiegen und still erduldet als protestiert. So wird der Film zur Parabel, denn so ist auch Niina, allerdings findet sie für sich selbst heraus, dass es so nicht weitergehen kann. Sie ändert sich – ein ziemlich schmerzlicher Prozess – für sich selbst und für ihre Kinder. Dabei hilft ihr die neue Arbeit: Schreiben als Problembewältigung und als Katalysator für mehr Mut und Selbstvertrauen. Auch wenn der Schluss eher leise ist: Dieser Film hat neben seinem vermutlich typisch lappländischen Rustikalhumor, der leicht düsteren Komödienatmosphäre und einer turbulenten Handlung noch eine ganze Menge mehr zu bieten. Zum Beispiel einen der schönsten Filmanfänge der letzten Jahre sowie einen hammerharten Gag, der mit einem Kassettenrekorder und einem Modern Talking-Hasser zu tun hat. Unfassbar komisch! (programmkino.de)Ausblenden