Am 15.12. zeigt das Kinoptikum

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So. 11:00
IN LIEBE, EURE HILDE
D 2024, 124 Min.
Regie: Andreas Dresen
mit Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner
Von einer großen Liebe und großem Mut in finst´ren Zeiten
Trailer zu IN LIEBE, EURE HILDE
Weiterlesen... Berlin, 1942. Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) wird verhaftet. Der Vorwurf: Das Verfassen von Schriften gegen das Nazi-Regime, Abhören von Feindsendern, Spionage. In der Berliner Haftanstalt Plötzensee wird Hilde den Rest ihres kurzen Lebens verbringen und dort ein Kind zur Welt bringen. Der Vater ist Hans (Johannes Hegemann), mit dem Hilde im Widerstand aktiv war, in einer losen Gruppe von meist jungen Aktivisten, die später als Rote Kapelle bezeichnet wurde.
Während ein Erzählstrang sich zeitlich nach vorne bewegt und zum unausweichlichen Ende von Hildes kurzem Leben führt, bewegt sich der zweite Erzählstrang rückwärts. In Rückblenden wird von den Aktivitäten der Roten Kapelle berichtet, von Hilde, Hans und den anderen jungen Menschen, die sich dem Nazi-Regime entgegenstellten, auch wenn ihr Leben in Deutschland trotz allem recht beschaulich ablief. Doch das Gefühl, sich gegen das Regime zur Wehr setzen zu müssen überwand die Trägheit und führte die Mitglieder der Roten Kapelle in den Widerstand.
Während man in Westdeutschland gerne der Geschwister Scholl und den Verschwörern von 22. Juli rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gedacht, erinnerte man sich in Ostdeutschland eher den Widerständlern, die unter dem Oberbegriff „Rote Kapelle“ zusammengefasst wurden. Keine durchorganisierte Gruppe war dies, sondern eine lose Gruppierung, die aus Sicht des Westens ein Manko hatten: Sie waren links, hatten Sympathien für den Kommunismus und waren dadurch spätestens nach Beginn des Kalten Krieges diskreditiert.
Insofern rückt Andreas Dresens Film auch eine Lücke in der Erinnerung zumindest eines westdeutschen Publikums gerade, doch das betont ruhige, zurückhaltende Drama ist viel mehr. Erneut arbeitet Dresen hier mit seiner Stammautorin Laile Stieler zusammen, die sich einer ähnlichen Form bedient, wie in „Rabiye Kurnaz gegen George Bush“, der letzten Zusammenarbeit des Duos.
Dort wurde die Leidensgeschichte des Deutschtürken Murat Kurnaz geschildert, ohne bewusste Höhepunkte, sondern in einer betont undramatischen und dann-und dann-und dann Dramaturgie, die gerade durch ihre Wiederholungen große Kraft entfaltete. Und auch „In Liebe, Eure Hilde“ verzichtet auf dramatische Höhepunkte, zeigt keine Action- oder Spionageszenen, auch keine wild schreienden Nazi- oder Gestapo-Schergen, wie man sie aus dem deutschen Kino zu Genüge kennt.
Statt dessen verlässt sich Dresen ganz auf die Kraft seiner Geschichte – und die Ausstrahlung seiner Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries. Mit stiller Würde erträgt sie als Hilde ihr Schicksal lässt die Schikanen im Gefängnis über sich ergehen, hofft auf eine Begnadigung, zweifelt jedoch nie an der Richtigkeit ihres Handelns. Die besondere Struktur der Erzählung erlaubt es Dresen schließlich, Anfang und Ende zusammenzuführen, Tod und Leben nebeneinanderzustellen und seinen Film trotz allem mit einem Moment der Hoffnung zu beenden. Ein ruhiger, zurückhaltender Film ist „In Liebe, Eure Hilde“ so geworden, der von der Kraft der Liebe erzählt und von Drang, das eigene Leben in den Dienst einer größeren Sache zu stellen. (programmkino.de)
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So. 15:30
DANCING QUEEN
KinderKino – N 2023, 92 Min.
Regie: Aurora Gossé
mit Liv Elvira Kippersund Larsson, Anders Baasmo
Die herzerwärmende Heldenreise einer jungen Tänzerin
Trailer zu DANCING QUEEN
Weiterlesen... Schule, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern, hat aber außer dem Nachbarsjungen Markus keine wirklichen Freunde. Da sie aber unbedingt dazugehören will und heimlich für den jugendlichen Hip-Hop-Tänzer E. D. Win (eigentlich: Edwin) schwärmt, geht sie zu einem Casting für seine neue Tanz-Crew. Das kostet sie einiges an Überwindung, denn sie hält sich eigentlich für ungeeignet: zu dick, zu ungeschickt, zu hässlich … Zu ihrer eigenen Überraschung besteht sie das Casting, erhält also die Chance, ihren Traum zu verwirklichen und „Dancing Queen“ zu werden. Doch um dieses Ziel und das Finale eines großen Tanzwettbewerbs zu erreichen, muss Mina zahlreiche innere und äußere Hindernisse überwinden.
„Dancing Queen“ erzählt keine wirklich neue Geschichte, ganz im Gegenteil: Wann immer man im Kinosessel „Sie wird doch nicht …“ denkt, tut sie’s. Ganz bewusst erzählt die Regisseurin Aurora Gossé Minas Geschichte an vorhersehbaren Wendepunkten entlang, die man aus ähnlichen Filmen kennt. Trotzdem wirkt der Film alles andere als klischeehaft, was vor allem an den jugendlichen Darstellern liegt, die mit entwaffnender Direktheit und Ehrlichkeit agieren.
Im Zentrum des Films liefert Liv Elvira Kippersund Larsson als Mina eine schlichtweg sensationelle Performance ab. Sie meistert nicht nur die steilen Anstiege und Abstürze einer emotionalen Achterbahnfahrt mit Bravour und frischer Natürlichkeit, sondern ihr gelingt auch, woran viele erwachsene Schauspieler scheitern: den Weg von einer schlechten zur guten Tänzerin auch körperlich glaubhaft zu machen. An ihrer Seite spielen Sturla Harbitz als heimlich unheimlich in Mina verknallter Nachbarsjunge und Viljar Knutsen Bjaadal als selbstverliebter Tanzschnösel, beide ebenfalls toll besetzt.
Aurora Gossé ist der schwierige Spagat zwischen Wahrhaftigkeit und Ironie gelungen: Dadurch, dass sie die Story aus einem leicht distanzierten, amüsierten Blickwinkel erzählt, haucht sie der Geschichte vom hässlichen Entlein, das zum tanzenden schönen Schwan wird, neues Leben ein. Gleichzeitig vermeidet sie es konsequent, ihre kindlichen Protagonisten für ein paar billige Lacher zu verraten. Sie nimmt die Sorgen, Ängste und Nöte der Kids jederzeit ernst und nutzt sie als Sprungbrett für komische Situationen, ohne jedoch ihre Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Das gilt auch für die Erwachsenen im Film: Minas überbesorgte Mutter wird niemals zur Knallcharge, sondern bleibt eine nahbare Persönlichkeit, die sympathisch bleibt.
Abba-Fans, die wegen des titelgebenden Songs das Kino aufsuchen wollen, seien gewarnt: Sie werden bis zu den Schlusstiteln auf ihr Lied warten müssen. Vorher erklingt die „Dancing Queen“ nur kurz und in Moll, strahlendes Dur ist erst angesagt, wenn Mina die letzten Hindernisse überwinden konnte und ihr Schicksal trotz zahlreicher Rück- und Schicksalsschläge von Moll nach Dur gewechselt hat. Das hoffentlich zahlreich erschienene Publikum – ob Jung oder Alt – wird jedenfalls glücklich lächelnd das Kino verlassen. (programmkino.de)
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So. 19:00
MEMORY  OmU
USA/MEX 2024, 104 Min.
Regie: Michel Franco
mit Jessica Chastain, Peter Sarsgaard, Merritt Wever
Eine raffiniert erzählte Love-Story aus den Nebeln der Erinnerung
Trailer zu MEMORY
Weiterlesen... Eine übervorsichtige Frau will noch nicht einmal den von ihr bestellten Handwerker in die eigene Wohnung lassen. Nach einer Party wird die alleinerziehende Mutter auf dem nächtlichen Heimweg verfolgt und verriegelt zu Hause panisch die Tür. Der Verfolger lauert unbeeindruckt bis zum nächsten Morgen vor dem Hauseingang. Mit wenigen Pinselstrichen zeichnet der mexikanische Autorenfilmer Michel Franco effektvoll die Ouvertüre zu seinem Psychodrama, einer Lovestory der etwas anderen Art. Zunächst wirkt vieles rätselhaft und unverständlich. Je mehr sich allmählich die Story-Nebel lichten, desto eindrucksvoller enthüllt sich ein raffiniertes Beziehungs-Drama um Schuld und Sühne. Um vergessen, verdrängen und verzeihen.
Oscarpreisträgerin Jessica Chastain spielt die unscheinbare Sozialarbeiterin Sylvia, die in New York in einer Einrichtung für psychisch labile Menschen arbeitet und sich in der kleinen Wohnung liebevoll um ihre jugendliche Tochter kümmert. Hinter der gediegenen Fassade freilich lauern Traumata. Ein erster Hinweis ist zum Auftakt Sylvias Auftritt bei den Anonymen Alkoholikern, wo sie stolz 13 Jahre Nüchternheit feiert. Was zur Sucht führte, das wird erst später dramatisch deutlich. Das Rätsel des nächtlichen Verfolgers wird gleichfalls nur scheibchenweise gelüftet. Peter Sarsgaard gibt den mysteriösen Saul, der wie ein verwirrter Stalker wirkt. Doch in diesem Film ist nur wenig so, wie es auf den ersten Blick scheint. Nie kann der Zuschauer sicher sein, welchen Figuren er vertrauen kann. Souverän werden neue Spuren und falsche Fährten ausgelegt. Kennen sich Saul und Sylvia bereits? An wen erinnert sie jener geheimnisvolle Fremde, der zunehmend vertrauter wirkt. Was hat es mit den offensichtlich gravierenden Gedächtnislücken von Saul auf sich? Sehr viel mehr lässt sich von der raffiniert konstruierten Story-Achterbahn nicht verraten ohne Spoiler-Alarm auszulösen. Gleichsam ein dramaturgisches Pilzgeflecht, das ständig neue Puzzleteile sprießen lässt.
Zur ungewöhnlichen Erzählweise gesellt sich ein faszinierendes Figurenkabinett, dessen schillernde Ambivalenz immer wieder verblüfft und für allerlei Wow-Effekte sorgt. Visuell vermag das ungewöhnliche Drama gleichfalls zu punkten. Als kühler Beobachter verharrt die Kamera gern statisch in der Ferne und hält das Publikum auf Distanz. Derweil die Bilder von New York vorwiegend trist und grau gehalten sind, meilenweit entfernt von der gängigen Darstellung des Big Apple auf der Leinwand.
Um solche zunächst sperrig anmutenden Figuren zum Leuchten zu bringen und Empathie-Potenziale aufzubauen, bedarf es erstklassiger Akteure. Jessica Chastain und Peter Sarsgaard beherrschen die emotionale Balance zwischen Liebe und Lüge, zwischen Mut und Wut mit scheinbar müheloser Leichtigkeit. Beide setzen bei ihrer Gratwanderung auf maximalen Minimalismus, was für zusätzliche Intensität sorgt. Die Chemie zwischen den charismatischen Darstellern ist spürbar stimmig, was die Glaubwürdigkeit dieser ungewöhnlichen Lovestory enorm erhöht. Wenn als traurige Hymne des Paares „A Whiter Shade of Pale“ von Procol Harum in Dauerschleife auf dem Handy erklingt, hat das emotionale Qualitäten ohne die gemeinhin üblichen Sentimentalitäten des nostalgischen Stehblues-Klassikers.
Wie diese Geschichte ausgeht? Auf jeden Fall endet sie einfach ganz unvermittelt. Mittlerweile gehört das schon zum Markenzeichen des mexikanischen Autorenfilmers Michel Franco. Auserzählte Lovestorys gibt es schließlich wie Sand am Meer. (programmkino.de)
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