FELIZ CUMPLEAÑOS, PEDRO – SP 2024, 110 Min. Regie: Pedro Almodóvar
mit Tilda Swinton, Julianne Moore, John Turturro
Das hochdekorierte und göttlich besetzte, neue Werk vom Meister des Melodrams – dem wir hiermit zum 75. gratulieren!
Weiterlesen...Pedro Almodóvar ist der Maestro des Melodrams. Seine Thematiken sind abgründig, er findet das Schlechte im Guten und das Gute im Schlechten. Seine Figuren zeigen Ungleichgewicht, Co-Abhängigkeiten, verschönte Traumata; Risse im Alltäglichen. Figuren können sich verwandeln: In „The Skin I Live In“ (2011) wird aus dem Mörder der Tochter die Geliebte des Vaters, in „Parallele Mütter“ (2021) wird aus einer Teenagerin eine Mutter und aus zwei Fremden eine Familie. Dieses Kino der unsichtbaren Transformationen geschieht vor unseren Augen, und trotzdem können wir es nicht sehen. Die Übergänge sind fließend. So nun auch in seinem neuen Film „The Room Next Door“. Aus alten Bekannten werden Freunde, aus Kampf wird Aufgabe und aus Leben soll der Tod werden. Die erfolgreiche Schriftstellerin Ingrid (Julianne Moore) erfährt, dass ihre Jugendfreundin Martha (Tilda Swinton) an Krebs erkrankt ist. Vor der Diagnose war sie Kriegsjournalistin. Im Krankenhaus treffen sich die beiden Frauen wieder. Nach einiger Zeit hat Martha eine Bitte: Sie wolle sich umbringen, habe eine Pille, mit der sie friedlich einschlafen könne, und sie möchte, dass Ingrid dabei ist – im Raum nebenan. Ingrid willigt widerwillig ein, und so betrachten wir Marthas letzte Tage. Sie wird nicht ankündigen, wann sie die Pille nehmen wird; lediglich ihre geschlossene Tür soll das Geständnis sein. The Room Next Door ist der erste Langfilm mit Tilda Swinton des Spaniers. Die erste Zusammenarbeit der beiden war The Human Voice (2020) – ein 30-minütiger, auf einem Theaterstück von Jean Cocteau basierender Kurzfilm, der eher wie ein Versuchsaufbau wirkt. Hier arbeiten die beiden überragend zusammen und Almodóvar zehrt jede letzte Faser aus Swintons Artifice. Fährt sich die Beziehung zwischen Martha und Ingrid fest, bricht der Film in die Vergangenheit aus. Zusammen begehen wir ein gelebtes Leben. Jede erzählte Erinnerung gleicht einer pointierten Kurzgeschichte: von Liebenden im Kriegsgebiet, ins brennende Haus laufenden Ehemännern oder schwangeren Teenagern. Den abstrusen Situationen, in die Almodóvar seine Figuren hineinbefördert, wohnt stets ein Zwinkern inne. Gerade noch erzählte Ingrid von ihrer kranken Freundin, einen Augenblick später beschwert sich ein Personal-Trainer, dass er seine Kund*innen nicht mehr berühren dürfe. Anders als bei Komödien, bei denen man schon beinahe das Lachen aus der Konserve im Hintergrund hört, ist Almodóvars Humor konsequent. Witze werden nicht platziert, seine Figuren ähneln uns skurrilen Menschen einfach sehr. Ein Kino voller Fettnäpfchen. Die Leerstellen und Ambivalenzen in Swintons Spiel lassen abwegige Interpretationen zu. Geht hier doch etwas völlig anderes vor sich? Bevor wir uns in Almodóvars Labyrinthen der Zwischenmenschlichkeit verirren, holt er uns ein. The Room Next Door ist geradlinig, lediglich gebrochen von Erinnerungsfetzen. Zum Schluss spielt der Film mit offenen Karten. In einem Dialog wird eröffnet, welche Allegorie mit einer hinter der verschlossenen Tür sterbenden Freundin intendiert war: die Klimakrise. Eine Verbindung, die aus dem Nichts kommt und sicher manchem Zuschauer sauer aufstoßen wird. Anstelle einer fein ausgeklügelten Metapher bleibt diese Verbindung assoziativ: Anstatt aufzugeben, da die Tür eines Tages geschlossen sein wird, sollten wir nicht aufhören, jeden Tag nachzusehen. Völlig überschattet von der restlichen Eleganz des Filmes, ist dies trotzdem ein gelungenes Friedensangebot zwischen Optimisten und Pessimisten. Steht die Tür offen oder ist sie geschlossen? Liegt eine Leiche unter uns oder folgt ein weiterer Tag? The Room Next Door fließt wie eine Ballade und ist in seiner Form wie ein Sonett: das Leben, die Krankheit, der Tod, dann die Stille danach. Bunte Schneeflocken fallen vom Himmel. Dann entlässt uns The Room Next Door zurück in unser Leben, voller Fragen, doch etwas weiser als vorher. (kino-zeit.de)Ausblenden
So. 15:30
DIE WELT DER TRAUMTIERE
KinderKino – ARG/IT/F/SLO 2023, 38 Min. Regie: Div.
Eine Wundertüte voller Phantasie, Überraschungen und Abenteuer
Weiterlesen...Flumina Dieser Reigen kennt keinen Halt: Eigenartige Kreaturen tänzeln im Wald, gleiten über den Holzfußboden, fahren eine riesengroße Achterbahn. Ihr rhythmischer Gesang ist geradezu hypnotisch. Halt dich fest: Auch du wirst in seinen Bann gezogen! ITA | 2021 | 3 Min REGIE: Antonello Matarazzo Urban Oasis Ohne Tiere und Pflanzen bleibt das Stadtleben traurig und grau. Doch eines Tages sprießt aus einem Tannenzapfen buntes Leben heraus – mit allerlei Arten von Flora und Fauna. Und wer sind hier die größten Stars? Die Vögel mit ihrem Federschmuck! FRA | 2020 | 9 Min REGIE: Hervé Bressaud Polarstern Ein kleiner Bär betrachtet einsam das Sternbild des Großen Bären im Himmel. Als plötzlich ein Stern aus dem Sternbild fällt, beschließt er, ihn zurückzubringen. Seine traumhafte Reise führt durch die lange Nacht und das brüchige Eismeer des Nordpols. FRA | 2022 | 5 Min REGIE: Leonis Levy, Laura Al Bayati, Michel Morgane, Sara Briand, Sélène Bentz, Alice Hobadam, Fanny Martin Zwischen den Pflastersteinen Kaugummis, Matsch und Kaffeereste in zerquetschten Pappbechern: Allerlei Unfug muss die zarte Blume, die inmitten des Asphaltdschungels wächst, über sich ergehen lassen. Doch der solidarische Straßenmülleimer hat eine rettende Idee. ARG | 2019 | 9 Min REGIE: Nicolás Conte Spuffies Die flauschigen Spuffies können von den saftigen Jubees gar nicht genug bekommen. Doch was tun, wenn die leckeren Früchte alle sind? Auf der Suche nach Nachschub passieren sie einen düsteren Wald. Aber Vorsicht: Nicht nur Spuffies stehen auf Jubees! SLO | 2021 | 11 Min REGIE: Jaka IvancAusblenden
So. 19:00
IN LIEBE, EURE HILDE
D 2024, 124 Min. Regie: Andreas Dresen
mit Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner
Von einer großen Liebe und großem Mut in finst´ren Zeiten
Weiterlesen...Berlin, 1942. Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) wird verhaftet. Der Vorwurf: Das Verfassen von Schriften gegen das Nazi-Regime, Abhören von Feindsendern, Spionage. In der Berliner Haftanstalt Plötzensee wird Hilde den Rest ihres kurzen Lebens verbringen und dort ein Kind zur Welt bringen. Der Vater ist Hans (Johannes Hegemann), mit dem Hilde im Widerstand aktiv war, in einer losen Gruppe von meist jungen Aktivisten, die später als Rote Kapelle bezeichnet wurde. Während ein Erzählstrang sich zeitlich nach vorne bewegt und zum unausweichlichen Ende von Hildes kurzem Leben führt, bewegt sich der zweite Erzählstrang rückwärts. In Rückblenden wird von den Aktivitäten der Roten Kapelle berichtet, von Hilde, Hans und den anderen jungen Menschen, die sich dem Nazi-Regime entgegenstellten, auch wenn ihr Leben in Deutschland trotz allem recht beschaulich ablief. Doch das Gefühl, sich gegen das Regime zur Wehr setzen zu müssen überwand die Trägheit und führte die Mitglieder der Roten Kapelle in den Widerstand. Während man in Westdeutschland gerne der Geschwister Scholl und den Verschwörern von 22. Juli rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gedacht, erinnerte man sich in Ostdeutschland eher den Widerständlern, die unter dem Oberbegriff „Rote Kapelle“ zusammengefasst wurden. Keine durchorganisierte Gruppe war dies, sondern eine lose Gruppierung, die aus Sicht des Westens ein Manko hatten: Sie waren links, hatten Sympathien für den Kommunismus und waren dadurch spätestens nach Beginn des Kalten Krieges diskreditiert. Insofern rückt Andreas Dresens Film auch eine Lücke in der Erinnerung zumindest eines westdeutschen Publikums gerade, doch das betont ruhige, zurückhaltende Drama ist viel mehr. Erneut arbeitet Dresen hier mit seiner Stammautorin Laile Stieler zusammen, die sich einer ähnlichen Form bedient, wie in „Rabiye Kurnaz gegen George Bush“, der letzten Zusammenarbeit des Duos. Dort wurde die Leidensgeschichte des Deutschtürken Murat Kurnaz geschildert, ohne bewusste Höhepunkte, sondern in einer betont undramatischen und dann-und dann-und dann Dramaturgie, die gerade durch ihre Wiederholungen große Kraft entfaltete. Und auch „In Liebe, Eure Hilde“ verzichtet auf dramatische Höhepunkte, zeigt keine Action- oder Spionageszenen, auch keine wild schreienden Nazi- oder Gestapo-Schergen, wie man sie aus dem deutschen Kino zu Genüge kennt. Statt dessen verlässt sich Dresen ganz auf die Kraft seiner Geschichte – und die Ausstrahlung seiner Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries. Mit stiller Würde erträgt sie als Hilde ihr Schicksal lässt die Schikanen im Gefängnis über sich ergehen, hofft auf eine Begnadigung, zweifelt jedoch nie an der Richtigkeit ihres Handelns. Die besondere Struktur der Erzählung erlaubt es Dresen schließlich, Anfang und Ende zusammenzuführen, Tod und Leben nebeneinanderzustellen und seinen Film trotz allem mit einem Moment der Hoffnung zu beenden. Ein ruhiger, zurückhaltender Film ist „In Liebe, Eure Hilde“ so geworden, der von der Kraft der Liebe erzählt und von Drang, das eigene Leben in den Dienst einer größeren Sache zu stellen. (programmkino.de)Ausblenden