Am 29.11. zeigt das Kinoptikum

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Fr. 18:00
THE ROOM NEXT DOOR  DF
FELIZ CUMPLEAÑOS, PEDRO – SP 2024, 110 Min.
Regie: Pedro Almodóvar
mit Tilda Swinton, Julianne Moore, John Turturro
Das hochdekorierte und göttlich besetzte, neue Werk vom Meister des Melodrams – dem wir hiermit zum 75. gratulieren!
Trailer zu THE ROOM NEXT DOOR
Weiterlesen... Pedro Almodóvar ist der Maestro des Melodrams. Seine Thematiken sind abgründig, er findet das Schlechte im Guten und das Gute im Schlechten. Seine Figuren zeigen Ungleichgewicht, Co-Abhängigkeiten, verschönte Traumata; Risse im Alltäglichen. Figuren können sich verwandeln: In „The Skin I Live In“ (2011) wird aus dem Mörder der Tochter die Geliebte des Vaters, in „Parallele Mütter“ (2021) wird aus einer Teenagerin eine Mutter und aus zwei Fremden eine Familie. Dieses Kino der unsichtbaren Transformationen geschieht vor unseren Augen, und trotzdem können wir es nicht sehen. Die Übergänge sind fließend. So nun auch in seinem neuen Film „The Room Next Door“. Aus alten Bekannten werden Freunde, aus Kampf wird Aufgabe und aus Leben soll der Tod werden.
Die erfolgreiche Schriftstellerin Ingrid (Julianne Moore) erfährt, dass ihre Jugendfreundin Martha (Tilda Swinton) an Krebs erkrankt ist. Vor der Diagnose war sie Kriegsjournalistin. Im Krankenhaus treffen sich die beiden Frauen wieder. Nach einiger Zeit hat Martha eine Bitte: Sie wolle sich umbringen, habe eine Pille, mit der sie friedlich einschlafen könne, und sie möchte, dass Ingrid dabei ist – im Raum nebenan. Ingrid willigt widerwillig ein, und so betrachten wir Marthas letzte Tage. Sie wird nicht ankündigen, wann sie die Pille nehmen wird; lediglich ihre geschlossene Tür soll das Geständnis sein.
The Room Next Door ist der erste Langfilm mit Tilda Swinton des Spaniers. Die erste Zusammenarbeit der beiden war The Human Voice (2020) – ein 30-minütiger, auf einem Theaterstück von Jean Cocteau basierender Kurzfilm, der eher wie ein Versuchsaufbau wirkt. Hier arbeiten die beiden überragend zusammen und Almodóvar zehrt jede letzte Faser aus Swintons Artifice.
Fährt sich die Beziehung zwischen Martha und Ingrid fest, bricht der Film in die Vergangenheit aus. Zusammen begehen wir ein gelebtes Leben. Jede erzählte Erinnerung gleicht einer pointierten Kurzgeschichte: von Liebenden im Kriegsgebiet, ins brennende Haus laufenden Ehemännern oder schwangeren Teenagern. Den abstrusen Situationen, in die Almodóvar seine Figuren hineinbefördert, wohnt stets ein Zwinkern inne. Gerade noch erzählte Ingrid von ihrer kranken Freundin, einen Augenblick später beschwert sich ein Personal-Trainer, dass er seine Kund*innen nicht mehr berühren dürfe. Anders als bei Komödien, bei denen man schon beinahe das Lachen aus der Konserve im Hintergrund hört, ist Almodóvars Humor konsequent. Witze werden nicht platziert, seine Figuren ähneln uns skurrilen Menschen einfach sehr. Ein Kino voller Fettnäpfchen.
Die Leerstellen und Ambivalenzen in Swintons Spiel lassen abwegige Interpretationen zu. Geht hier doch etwas völlig anderes vor sich? Bevor wir uns in Almodóvars Labyrinthen der Zwischenmenschlichkeit verirren, holt er uns ein. The Room Next Door ist geradlinig, lediglich gebrochen von Erinnerungsfetzen.
Zum Schluss spielt der Film mit offenen Karten. In einem Dialog wird eröffnet, welche Allegorie mit einer hinter der verschlossenen Tür sterbenden Freundin intendiert war: die Klimakrise. Eine Verbindung, die aus dem Nichts kommt und sicher manchem Zuschauer sauer aufstoßen wird. Anstelle einer fein ausgeklügelten Metapher bleibt diese Verbindung assoziativ: Anstatt aufzugeben, da die Tür eines Tages geschlossen sein wird, sollten wir nicht aufhören, jeden Tag nachzusehen. Völlig überschattet von der restlichen Eleganz des Filmes, ist dies trotzdem ein gelungenes Friedensangebot zwischen Optimisten und Pessimisten.
Steht die Tür offen oder ist sie geschlossen? Liegt eine Leiche unter uns oder folgt ein weiterer Tag? The Room Next Door fließt wie eine Ballade und ist in seiner Form wie ein Sonett: das Leben, die Krankheit, der Tod, dann die Stille danach. Bunte Schneeflocken fallen vom Himmel. Dann entlässt uns The Room Next Door zurück in unser Leben, voller Fragen, doch etwas weiser als vorher.
(kino-zeit.de)
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Fr. 20:30
SAD JOKES
D 2024, 96 Min.
Regie: Fabian Stumm
mit Fabian Stumm, Justus Meyer, Haley Louise Jones
Tragikomische Reflexion der Wirklichkeit in all ihrer Absurdität
Trailer zu SAD JOKES
Weiterlesen... Eine Witzparade ist dem Film vorangestellt, und das ist witzig nicht nur wegen des Erzählens oder der Pointen, sondern auch wegen der provisorisch scheinenden Situation mit Scheinwerferequipment im Hintergrund, und auch wegen des lauten Gelächters eines Livepublikums im Off – oder eine Lachkonserve aus dem Schallarchiv? Jedenfalls geht der Prolog über in die fröhliche Stimmung von Mutter und Kind, sie haben eingekauft, Sonya (Haley Louise Jones) macht sich ans Zubereiten des Abendessens, Joseph (Fabian Stumm) kommt nach Hause – und die Situation beginnt zu wackeln, die Stimmung kippt. Denn Sonya ist aus der Klinik abgehauen, in einem Zwischenhoch hat sie ihre Depressionsbehandlung abgebrochen, und die Besorgnis und das Kümmern von Freund und Nachbarin und Mutter deutet sie als Gängelung und Manipulation, aus ihrer Sicht nachvollziehbar. Aber eben auch Auslöser einer neuen Krise, die latent immer da war, mit Aggression und Beleidigungen und Betroffenheit und Sorge.
Fabian Stumm, das erweist sich mit diesem Zweitling, ist ein Inszenierungsmeister. Absolut souverän behandelt er das Medium Film in so vielen Facetten, auf so vielen Ebenen! Schon sein Debüt Knochen und Namen war ein perfektes Beispiel für das Spiel mit Emotion, für Variationen über ein Thema, für Könnerschaft im Handwerk. Sad Jokes beweist nun, dass Stumm sein Metier tatsächlich beherrscht. In allen Aspekten kann er in seiner episodischen Handlung, in kurzen Szenen – oft mit langer Kameraeinstellung gedreht – Gefühle im Zuschauer hervorrufen, die er nach hartem Schnitt, in der nächsten Szene, um 180° umdreht. Er weiß mit seinen Darsteller*innen umzugehen, die in kürzester Zeit ganz große Auftritte hinlegen, in ganz kleinen Handlungsepisoden: Anneke Kim Sarnau als frisch operierte Krankenhauspatientin, die wohl auf Aufwachdroge irres Lachen mit innerem Schmerz verbindet, oder Ulrica Flach als schwedische Künstlerin, die mit großer Ausdruckskraft einen „Johanna von Orléans“-Schlussmonolog zitiert. Oder Marie-Lou Sellem und Anne Haug als Paar, das sich vor dem Hintergrund einer typischen Filmbranchen-Premierenfeier einen handfesten Ehekrach liefert. Verschärft wird diese Schauspielkunst, diese Schauspielführungskunst dadurch, dass Stumm, der Regisseur, auch die Hauptrolle innehat und daher in den Szenen selbst dabei ist, die er vom Regiestuhl aus zugleich steuert.
Ein weiterer Aspekt der Regie-Souveränität zeigt sich im Jonglieren zwischen Traurigkeit und Witz: dass sich Stumm dessen bewusst ist und dieses Bewusstsein mit in seinen Film aufnimmt, ohne prätentiös zu werden. Sein Joseph ist Filmregisseur, der ein neues Projekt vorhat, eine Komödie um einen, der an Automatonophobie leidet, einer Kondition der Furcht vor Puppen, hier speziell vor großen Statuen. Eine Komödie, die sein Produzent (Godehard Giese) nicht witzig findet, weil im Drehbuch letztlich alle den Tod finden. Ja, Komödie, ein schmaler Grat, ganz schwierig, muss natürlich gut sein! Ganz fein dargestellt, im richtigen Gleichgewicht, das Traurige unterschwellig ins Komische eingearbeitet, und welche Art? Schwarzer Humor, Satire, Slapstick? Natürlich lässt Stumm auf diesen kleinen innerfilmischen Exkurs-Dialog direkt eine Slapstickszene folgen, in der Joseph sich den Finger in einem Snackautomaten einklemmt – das ist witzig, und zugleich schmerzhaft.
Die Depression von Sonya, das Liebesleiden von Joseph, der sich drei Jahre vorher von seinem Partner getrennt hat, die Quasi-Alleinsorge um den kleinen Sohn Pino, den Joseph mit seiner besten Freundin Sonya aufzieht, die Suche nach einem enormen Statuenkopf, gestaltet nach dem eigenen Gesicht: Wo immer wieder schöne Pointen aufpoppen, ist es eigentlich doch recht traurig, und zwar, weil Stumm verstanden hat, wie das Absurde funktioniert, als Misstönendes im Alltag, als Verschiebung dessen, was normalerweise als normal erachtet wird. Das kann witzig sein, wenn wir als Betrachter genug innere Distanz haben, und es kann berührend sein, auf melancholische Art mitunter, wenn wir innerlich ins Geschehen gezogen sind. Stumm lässt uns in diesem Film beides erleben, Vexieremotionen in spielerischer Ersthaftigkeit, in trauriger Komik. (kino-zeit.de)
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