Am 14.11. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
GLORIA!  it. OmU
Cinema italiano – IT/CH 2024, 106 Min.
Regie: Margherita Vicario
mit Galatea Bellugi, Carlotta Gamba, Veronica Lucchesi
Keusches Film-Musical auf inbrünstiger Reise durch die Musikgeschichte
Trailer zu GLORIA!
Weiterlesen... Venedig, Anfang des 19. Jahrhunderts: In dem verwahrlosten, heruntergekommenen Waisenhaus St. Ignazio ist die stumme Teresina eines von vielen Mädchen unterschiedlichen Alters. Doch während die anderen Mädchen im Chor singen dürfen und lernen, Musikinstrumente zu spielen, muss Teresina wie Aschenputtel die miesesten Arbeiten verrichten. Niemand in ihrer Umgebung ahnt, dass Teresina in Wahrheit sehr talentiert ist – sie ist ein musikalisches Genie. Die Geräusche, von denen sie überall umgeben ist, verdichten sich für sie zu einer sich immer mehr steigernden, wunderbaren Alltagssinfonie: knarzende Wagenräder, das Klatschen der nassen Wäsche, wenn sie auf die Zuber geschlagen wird, das Klacken der Schöpfkellen in der Küche, das rhythmische Kratzen der Schwämme, mit denen die Kupferkessel geputzt werden … und hin und wieder auch mal ein Nieser.
Eines Tages entdeckt Teresina beim Putzen eine rätselhafte Kiste, die der konservative und bigotte alte Priester Perlina vor den Mädchen versteckt hält. Darin findet sie tatsächlich ein hochmodernes Pianoforte. Sie beginnt heimlich darauf zu spielen und wird dabei von anderen Mädchen entdeckt. Alle wollen nun das Pianoforte ausprobieren. Vor allem die ehrgeizige Giulia, die selbst komponiert, meldet ihre Ansprüche an. In nächtlichen Geheimsessions entwickelt sich aus der anfänglichen Konkurrenz zwischen den Mädchen eine inspirierende, kreative Freundschaft, die dazu führt, dass sie alle musikalisch zu neuen Höhenflügen gelangen.
Alle diese jungen Frauen, die eigentlich keine Chance haben, träumen vor dem Hintergrund der französischen Revolution und der Hoffnung auf Freiheit von einer rosigen Zukunft in einem selbstbestimmten Leben. Tatsächlich droht ihnen entweder die Zwangsverheiratung oder ein Leben hinter Klostermauern. Die Musik wird für sie alle immer mehr zum Eintritt in eine andere Welt, in der sie mutig und stark sind. Sie experimentieren gemeinsam mit Klängen und Rhythmen, entdecken nebenbei schon mal 200 Jahre früher den Jazz, den Rock’n Roll und die Popmusik und entfernen sich immer mehr von den Geboten der Klassik und von ihrem Lehrmeister Perlina, der von ihrem Treiben nichts ahnt. Er ist gerade dabei, eine Sinfonie zu Ehren des neuen Papstes zu komponieren, der anlässlich seiner Ernennung in St. Ignazio vorbeikommt.
Margherita Vicario spielt in ihrem musikalischen Märchen lustvoll mit Anachronismen. Dafür mixt sie die historisch verbürgten Tatsachen, wozu auch die venezianischen Mädchenorchester gehören, mit dramatischen Handlungselementen – von der heimlichen Liebe über die ungewollte Schwangerschaft bis zum erpresserischen Lover – und peppt auf diese Weise ihr Kostümdrama mit vielen kleinen Nebengeschichten auf. Sie durchwirkt das Ganze mit viel eingängiger Musik und macht schließlich daraus ein sowohl musikalisches als auch feministisches Bekenntnis. Damit möchte sie all die unbekannten Frauen würdigen, die seinerzeit und nicht nur in Venedig ihre Kreativität nicht öffentlich ausleben durften. Vicario nennt sie „gepresste Blumen“: verborgen zwischen den Seiten der Musikgeschichte, die vor allem von Männern geschrieben wurde. Mit einem atemstockend grandiosen Finale feiert sie diese Frauen und ihre rebellischen Zukunftsvisionen. (programmkino.de)
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Do. 20:30
DES TEUFELS BAD
Ö 2024, 121 Min.
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
mit Anja Plaschg, Maria Hofstätter, David Scheid
Zum Bundesstart: Das abgründige Psychogramm einer „verlorenen Seele“. Jessas!
Trailer zu DES TEUFELS BAD
Weiterlesen... Die auf dem Hügel ausgestellte Leiche einer Hingerichteten, von deren Tat der Epilog zu „Des Teufels Bad“ berichtet, ist eine Mahnung an all die Frauen, die den Gedanken hegen, sich den rigiden Regeln des Zusammenseins zu entziehen. Aufgerichtet sitzt der Leichnam da, im blutbefleckten Gewand. Der abgetrennte Kopf befindet sich nebendran in einem eisernen Käfig als Schutz vor gefräßigen Tieren. Das Vergehen der Frau, die hier auf solch schauderhafte Weise ausgestellt wird: Sie hatte einen schreienden Säugling einen Wasserfall hinuntergeworfen.
Erst im Verlauf des Films werden sich die Hintergründe dieser Tat offenbaren, auf den der Titel sich bezieht: Von sogenannten melancholischen Menschen (heute würde man diese als Menschen, die unter Depressionen leiden) hieß es, dass sie im Bad des Teufels gefangen seien. Selbstmord als letzter Ausweg war aber nach den Lehren der Kirche eine Todsünde, für die die ewige Verdammnis drohte. Also breitete sich (historisch verbürgt in Ländern wie Deutschland, Österreich, Schweden, Frankreich und England) ein Phänomen aus, das die Wissenschaft heute als „suicide by proxy“ bzw. „mittelbaren Selbstmord“ bezeichnet.
Um der Verdammnis eines Selbstmordes zu entkommen, verübten die Frauen rituell anmutende Morde, vorwiegend an Kindern, um auf diese Weise verhaftet und hingerichtet zu werden. Dass überwiegend Kinder diesen Taten zum Opfer fielen, hing damit zusammen, dass diese sich in einem Zustand der Unschuld befanden und ihnen damit der Weg ins Himmelreich gewiss sei. Ein weiterer Vorteil dieses ungewöhnlichen Weges: die Beichte vor der Hinrichtung ermöglichte es auch den Täterinnen, frei von Sünden Gnade vor den Augen des jüngsten Gerichts zu finden.
Dieses Phänomen wurde erst verhältnismäßig spät von der Geschichtswissenschaft entdeckt, dem Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala (Ich seh, ich seh; The Lodge) dient es als Ausgangspunkt für eine düstere Reise in die Vergangenheit, die an Filme wie Robert Eggers’ The VVitch und Lukas Feigelfelds Hagazussa erinnert.
Im Mittelpunkt steht Agnes (die Musikerin Anja Plaschg von Soap&Skin, die bereits in Ruth Beckermanns Die Geträumten und Sebastian Meises Stillleben zu sehen war), eine empfindsame und tiefgläubige junge Frau, die Mitte der 18. Jahrhunderts in einer bäuerlich geprägten, erzkatholischen und bitterarmen Region Niederösterreichs aufwächst. Statt die Gesellschaft zu suchen, streift sie lieber durch den Wald und sammelt kleine Schätze der Natur, die sie wie Kostbarkeiten aufbewahrt. Die gerade geschlossene Ehe mit Wolf (David Scheid) setzt sie noch mehr unter Druck, weil damit die Erwartung verbunden ist, dass sie ein Kind – am besten noch einen Sohn – auf die Welt bringt. Allein, das Zusammensein mit ihrem Ehemann ist so freudlos, dass man sich fragt, wie das überhaupt geschehen soll. Sie ist und bleibt eine Träumerin, eine Fremde, die sich eigentlich nur eines wünscht: „Ich wollte weg sein aus der Welt“.
Ein Selbstmordversuch mit Rattengift schlägt fehl, der Druck wächst weiter an, bis sie keinen anderen Ausweg mehr aus ihrem Dasein sieht (ausgelöst übrigens durch eine donnernde Predigt des örtlichen Pfarrers), als ein Kind zu töten und durch die daraus resultierende Verurteilung und Hinrichtung endlich sterben zu können.
Schwer liegt der Nebel über den Tälern, dunkel sind die Behausungen, Grau-, Blau- und Erdtöne dominieren die Farbpalette von Des Teufels Bad, der immer wieder beredte Details des dumpfen Lebens der armen Bauerngesellschaft einstreut, die für eine „Melancholikerin“ keinerlei Verständnis hat. Dass die ausbleibende Schwangerschaft trotz eines Talismans unter der Matratze des Ehebetts selbstverständlich Agnes’ Schuld ist, obwohl man genau sieht, dass ihr Ehemann keinerlei (sexuelles) Interesse an ihr zeigt, gehört ebenso zu den Grausamkeiten einer streng patriarchalen Gesellschaft wie die entsetzliche Zurschaustellung der geköpften Sünderin.
Lange Zeit trotz einiger ausgesuchter Schockelemente relativ verhalten erzählt, gewinnt Des Teufels Bad erst gegen Ende an emotionaler Kraft; wenn Agnes in einer beeindruckenden Szene Beichte ablegt über ihr Tun und wir zum ersten Mal hören, wie sie ihre Seelenpein ausbreitet, erahnt man das ganze Ausmaß der inneren Verheerungen und des großen Leids, dass diese Frau mit sich herumträgt. Der Tod durch das Richtschwert kommt einer Erlösung gleich und just in diesem Moment findet Agnes vielleicht zum ersten Mal eine Ahnung davon, was Gemeinschaft bedeuten kann: Als sie auf dem Richtplatz ein Lied zur Ehre der Gottesmutter Maria anstimmt, fällt ein kleines Mädchen aus dem Publikum mit ein, bis der Hieb des Henkers den Zwiegesang jäh beendet. Ein kurzer Moment der (weiblichen) Solidarität – und vielleicht der einzige Hoffnungsschimmer in einem niederschmetternd düsteren Film über die Grausamkeiten vergangener Zeiten. (kino-zeit.de)
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