KinderKino – Mamma Mu hittar hem – S/NL 2021, 65 Min. Regie: Christian Ryltenius, Tomas Tivemark
Eine Kuh macht Muh, und die Krähe kräht dazu
Weiterlesen...Wer Mama Muh kennt, weiß, dass sie eine ziemlich ungewöhnliche Kuh ist. Und darauf ist sie auch mächtig stolz. Die ermutigenden Geschichten um die abenteuerlustige Kuh und Krähe von Autorin Jujja Wieslander und Illustrator Sven Nordqvist, kommen auf die große Leinwand. Auf ihrem Bauernhof trifft Mama Muh auf eine Storch-Dame, die gerade nach einem langen Flug aus dem südlichen Afrika angekommen ist. Mama Muh liebt es, von all den aufregenden Orten und Sehenswürdigkeiten zu hören, die sie auf ihrem Weg passiert hat. Krähe, etwas eifersüchtig auf den Neuankömmling, zeigt sich nicht so beeindruckt und meint, dass sie all das und noch viel mehr hier in ihrem Zuhause haben. Ein „Zuhause“ ist jedoch kein Konzept, mit dem ein Zugvogel vertraut ist. Jetzt ist es an Krähe aufzutrumpfen. Ihr Stolz schlägt jedoch bald in Verzweiflung um, als sie merkt, dass Storch dieses schöne Heim nun mit ihr teilen und bei ihr einziehen möchte. Und Mama Muh fragt sich unterdessen, ob da draußen in der großen, weiten Welt nicht doch noch mehr auf sie wartet, als bisher vermutet und begibt sich auf ein großes Abenteuer. Als ein weit gereister Storch auf dem Bauernhof auftaucht, stellt sich für Mama Muh die Frage: Was ist eigentlich ein Zuhause? Wie kann sie sicher sein, dass die Wiese und der Bauernhofwirklich ihr Zuhause sind? Was ist, wenn es irgendwo anders in dieser großen, weiten Welt etwas Besseres gibt? Krähe kämpft darum, seiner Freundin zu zeigen, dass das Gras auf der anderen Straßenseite nicht grüner ist - aber manchmal muss man sich verirren, um den Weg nach Hause zu finden.(Verleih)Ausblenden
Sa. 18:00
TATAMI DF
GEO/GB/USA 2023, 103 Min. Regie: Zar Amir Ebrahimi, Guy Nattiv
mit Arienne Mandi, Zar Amir Ebrahimi, Jaime Ray Newman
Ein packendes Sport-Drama auf der Matte der Weltpolitik
Weiterlesen...Leila Hosseini tritt bei der Judoka-Weltmeisterschaft in Tiflis an und hat gute Chancen, tatsächlich eine Medaille zu gewinnen. Sie ist stark, sie besteht die ersten Kämpfe mit Bravour, aber dann erhält ihre Trainerin einen Anruf vom Verbandschef. Es wird gewünscht, dass Leila eine Verletzung vortäuscht und aus dem Wettbewerb aussteigt. Denn das Regime fürchtet, dass sie im Finale auf eine israelische Judoka treffen und verlieren könnte – eine Schmach für die islamische Republik, die verhindert werden soll, indem gar nicht erst die Möglichkeit zu dieser Niederlage besteht. Aber obwohl ihre Trainerin auf sie einwirkt, weigert sich Leila, dem Befehl aus der Heimat nachzukommen, auch wenn sie weiß, dass dadurch ihre Familie in Gefahr gerät. „Tatami“ ist praktisch in Echtzeit erzählt – gut 100 intensive Minuten, die emotional aufpeitschen, die aber auch ein fundamentales Verständnis dafür erzeugen, was es heißt, in einem repressiven Regime zu leben. Selbst wenn man außer Landes ist. Politisch betrachtet ist der Film aber auch Zündstoff, weil sich hier ein israelischer und ein iranischer Filmemacher eingefunden haben, um die Geschichte zu erzählen. In ihrer jeweiligen Heimat kommt das wohl nicht gut an, aber sie sind auch der Beweis dafür, dass die Menschen ganz anders sein können, als die Regierungen. Der Film ist in schwarzweiß und im Format 4:3 gehalten. Beides ist für modernes Kino ungewöhnlich. Aber Nattiv und Ebrahimi haben dieses Format nicht umsonst gewählt. Das Fehlen von Farbe wirkt hier erdrückend, ebenso wie der enge Rahmen eines fast quadratischen Bilds. Dies symbolisiert den Druck, der auf Leila ausgeübt wird und der sie fast zu zerquetschen droht. Denn sie hat die Wahl, dem Befehl aus der Heimat zu folgen, oder die Konsequenzen zu tragen. Ihre Eltern werden inhaftiert, ihr Mann und ihr Kind sind auf der Flucht. Würde sie zurückkehren, würde ihr auch Ungemach drohen. So geht es in „Tatami“ um die Frage, was man bereit ist, für die Freiheit zu opfern. Was die eigene Würde wert ist. Wie weit man zu gehen bereit ist, um sich selbst treu zu bleiben. Fragen, die sich hypothetisch immer leicht beantworten lassen, die aber umso schwerer wiegen, wenn echte Konsequenzen drohen. Arienne Mandi spielt das außergewöhnlich gut. Der innere Konflikt überträgt sich auf den sportlichen Wettkampf, den äußeren Konflikt. In Leila arbeitet es, während sie versucht, ihren Lebenstraum zu erfüllen. „Tatami“ ist brillant, die Art Film, die so gut ist, dass man sich wünscht, er würde nie zu Ende gehen. Zugleich ist man gespannt, wie es weitergeht, denn den märchenhaften, den filmischen Weg gehen die Regisseure nicht. Das Ende ist konsequent. (programmkino.de)Ausblenden
Sa. 20:30
DIDI OmU
USA 2024, 91 Min. Regie: Sean Wang
mit Izaac Wang, Joan Chen, Shirley Chen
Die volle Bandbreite einer Jugend in den Nullerjahren – der große Publikumsliebling beim Münchner Filmfest und dem Sundance-Festival
Weiterlesen...Die Geschichte von Dìdi spielt 2008 in Kalifornien und hat den jungen Chris (Izaac Wang) im Fokus, den seine Mutter „Dìdi“ und alle anderen nur Wang-Wang nennen. Christ hat gerade die Grundschule hinter sich gebracht und freut sich auf die Highschool; er verbringt am liebsten Zeit am Computer oder mit seinen besten Freunden, Fahad (Raul Dial) und Soup (Aaron Chang). Das Abendessen am Tisch mit Mutter Chungsing (Joan Chen), Großmutter Nai Nai (Chang Li Hua) und Schwester Vivian (Shirley Chen) findet er eher lästig, schnell kommt es zu lautstarken Kämpfen zwischen den Geschwistern. Innerhalb der ersten halben Stunde knüpft Regisseur Wang über alltägliche Situationen und natürliche Dialoge das Netz der Beziehungen, die Chris‘ Leben ausmachen und gestalten. Dabei zeigt er ein unheimlich gutes Gespür für seine Figuren, erzählt nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, sondern genau so viel, dass man früh merkt: Eigentlich will man gar nicht mehr aufhören, das Leben dieser Familie zu verfolgen. Und hofft, dass die 90 Minuten lange dauern mögen. Während eines seiner Nachmittage vor dem Rechner entdeckt Chris auf der Plattform MySpace ein Mädchen aus seiner Schule: Er checkt ihr Profil, sieht sich die geposteten Fotos an, verliebt sich. Er schreibt sie an, erstellt einen Facebook-Account, um mit ihr zu chatten. Das sind auch die Anfänge des Online-Dating, die Wang hier mit einfängt und großartig in Szene setzt: ein blinkender Cursor, die Delete-Taste in Detailaufnahme, das schnelle Hin und Her des Chat-Verlaufs. Während es in aktuellen Filmproduktionen mittlerweile dazugehört, Handybildschirme hochkant auf die Leinwand zu werfen, wirkt das ausgedehnte Zeigen der Computerscreens und der ersten Social-Media-Plattformen hier wie ein Relikt aus lange vergangenen Zeiten – und ist doch noch gar nicht so lange her. Wang fängt in Dìdi auch die zaghaften Anfänge der ersten Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen ein. Mahaela Park als Madi, aber auch Izaac Wang als Chris sind großartig im Darstellen der Entwicklung dieser zarten Bande, besonders Izaac Wang vermag es, mit nuancierter Mimik viel Gefühl, oder besser, das Durcheinandergeraten von Gefühlen zu vermitteln. Dabei unterstützt ihn das zurückhaltende und doch klangvolle Sounddesign, das kontinuierlich eine leichte Spannung hält. Auch bildästhetisch vermittelt Wang viel Emotion: Die Bilder sind oft dunkel, die Kamera spielt mit den Schattenverläufen der Innenräume wie auch in den Außenaufnahmen. Das ist nicht das sonnendurchflutete Kalifornien, das man im Kopf hat, wenn man an amerikanische Jugendfilme von Disney und Co. denkt, sondern die Welt eines Außenseiters. Eines Jugendlichen, der sich plötzlich nicht mehr aufgehoben und wohl fühlt in seiner Haut, sich erst neu finden muss. Denn auch das schildert der Film: Dass die Freundschaften aus der Grundschule nicht unbedingt mit auf die Highschool wechseln, auch wenn alle erneut auf dieselbe Schule gehen. Die Jungs verabreden sich plötzlich mit Mädchen, nicht alle Konstellationen passen dann zusammen, neue Menschen wie Donovan (Chiron Cillia Denk) und seine Skater-Gang tauchen auf, werden vielleicht zu Freunden, vielleicht aber auch nicht. Das alles spielen die jungen Darsteller – bis auf Izaac Wang allesamt Laienschauspieler – überzeugend, weil authentisch, und zeichnen ein glaubwürdiges Bild der Jugendkultur der Nullerjahre. In sein Debüt hat Wang viel Autobiografisches gepackt: Er ist selbst in den USA aufgewachsen und weiß, wie es sich anfühlt, als Asian American doch immer ein wenig am Rand zu stehen. Davon will er ebenso erzählen wie davon, wie hart das Leben als Jugendlicher ist, in einer Zeit, „in der man die schlimmste Version seiner Selbst ist, die im Rückblick aber die beste Zeit des Lebens ist“, wie der Regisseur bei der Deutschland-Premiere auf dem Filmfest München erklärte. Wie schon bei seiner Weltpremiere auf dem Sundance Filmfestival wurde Dìdi auch in München gefeiert und kommt im August auch in die deutschen Kinos. Besonders gelungen ist auch die Zeichnung der erwachsenen Figuren: Großmutter Nai Nai, die immer wieder auf ihr Alter verweist und deutlich macht, dass sie in der Welt der Jungen nicht mehr klarkommt. Oder die von Joan Chen großartig gespielte Mutter, die sich in ihrer Rolle immer wieder neu suchen und finden muss, die oft genervt ist, aber immer auch voller Liebe. Anhand ihrer Figur zeigt sich das Leben in seiner vollen Wucht: Wie wir im Laufe unseres jeweiligen Daseins immer wieder in Situationen der Unsicherheiten geworfen werden, uns neu justieren und kontinuierlich hinterfragen können. Das ist nicht immer leicht, aber gut und gehört mit dazu. (kino-zeit.de)Ausblenden