mit Birgit Minichmair, Johanna Orsini, Oskar Haag, Johannes Silberschneider
Poetisches Portrait der österreichischen Malerin Maria Lassnig
Weiterlesen...Wie so viele Frauen der Geschichte stand sie meist im Schatten der Männer, wurde nicht für sich betrachtet, sondern oft nur als Anhängsel, als Ergänzung männlicher Künstler: Maria Lassnig, geboren 1919 in Kärnten, gestorben 2014 in Wien, vor allem Malerin, aber auch Medienkünstlerin, Professorin und vor allem Frau. Lange musste Lassnig um Anerkennung kämpfen, wurde schlechter bezahlt als männliche Kollegen, doch mit der Zeit kam der Erfolg, bei der documenta wurden ihre Werke ausgestellt, sind inzwischen Teil der Sammlungen wichtiger Museen, vom Museum of Modern Art in New York bis zur Neuen Nationalgalerie in Berlin, längst gilt sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Einen biographischen Film über Lassnig zu drehen liegt auf der Hand, Porträts bekannter, berühmter Menschen erfreuen sich stets großer Beliebtheit, sind ein dankbares Sujet: Als Nebenfiguren tauchen oft weitere Berühmtheiten auf, wichtige Momente der Zeit- und Kulturgeschichte werden gestreift, exotische Locations tun ihr übriges. Meist sind solche biographischen Filme gefällig, oberflächlich interessant und im Kern kaum mehr als visualisierte Wikipedia-Einträge. Nach wenigen Momenten von „Mit einem Tiger schlafen“ wird deutlich, dass Anja Salomonowitz Anderes, Ambitionierteres im Sinn hat. Da sieht man Birgit Minichmair als Maria Lassnig, allerdings als das Kind Maria Lassnig, die am Tisch mit ihrer Mutter (Johanna Orsini) sitzt und sie zeichnet, Lob bekommt, aber auch Kritik. Und so wird es weitergehen in den Jahrzehnten von Lassnigs Leben, ein ständiger Kampf zwischen Anerkennung und Kritik, nicht zuletzt Selbstkritik und Selbstzweifel, auch wenn sie schon international erfolgreiche Künstlerin ist, die eigentlich zufrieden sein könnte. Vor allem aber geht es stilistisch so weiter: Dass Brigit Minichmair wandlungsfähig ist, dürfte bekannt sein, hier spielt sie allerdings eine Frau in allen Stadien ihres Lebens, von der Wiege bis zur Bahre sozusagen. Eine äußere Visualisierung von Lassnigs innerem Wesen wenn man so will, denn diese wurde als weise vor ihrer Zeit beschrieben, später dann jung geblieben im zunehmend alternden Körper. In gewisser Wiese also konsequent, nicht drei, vier Schauspielerinnen die verschiedenen Lebensstadien eines Menschen spielen zu lassen, sondern eine alle. Ein Ansatz, der an unkonventionelle Methoden anderen biographischer Film erinnert, etwa an das Dylan-Biopic „I’m not there“, wo diverse Akteure den Barden spielten oder auch an den Anfang des Jahres im Kino zu sehenden „Munch“, wo Ähnliches versucht wurde. Am deutlichsten ähnelt der Ansatz aber dem Celine Dion-Film „Aline“, in dem Valérie Lemercier die Sängerin in allen Lebensphasen spielte, allerdings per Computertricks auf die „richtige“ Größe geschrumpft. Allen genannten Filmen und nun auch „Mit einem Tiger schlafen“ ist gleich, dass sie ihre Subjekte als zerrissene Menschen zeigen, als widersprüchliche Personen, die nur schwer zu fassen sind. Aber wie könnte es anders sein, gerade bei einer Künstlerin wie Maria Lassnig. Dass am Ende des Films viele Fragen offen bleiben kann keine Kritik sein, im Gegenteil. Episodisch umkreist Salomonowitz das Leben Lassnigs, zeigt Arbeitsprozesse, schneidet dokumentarische Bilder ein, auch immer wieder das Werk Lassnigs, das oft unmittelbar mit den inszenierten Bildern korrespondiert. Ein collagenhaftes Bild entsteht, das auf ambitionierte Weise versucht, der Vielfalt des Werks Lassnings eine filmische Entsprechung zu geben. (programmkino.de)Ausblenden
Do. 20:30
EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN DF
Keyke mahboobe man – IRN/F/S/D 2024, 97 Min. Regie: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha
mit Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi, Mohammad Heidari, Melika Pazouki
Der Publikumsliebling der Berlinale: Eine ebenso ergreifende wie vergnügliche Rom-Com der ganz besonderen Art
Weiterlesen...Die ersten Lacher gibt es bereits nach zwei Minuten. Viele weitere sollten folgen. Selbst Szenenapplaus, das seltensten Phänomen auf Filmfestivals, spendiert ein begeistertes Berlinale-Publikum. Einmal mehr beweist das iranische Kino, mit welch emotionalen Wucht es seine anrührenden Geschichten erzählt – und dabei auch vor Kritik am iranischen Mullah-Regime der Intoleranz nicht zurückschreckt. Erzählt wird die ungewöhnliche Lovestory einer 70jährigen Witwe, die ganz plötzlich wieder die Lust auf das Leben und die Liebe entdeckt. Tochter und Enkel leben längst im Ausland, nur selten gibt es Telefongespräche. Die Kaffeekränzchen mit Freundinnen werden häufig von bedrückenden Krankheitsgeschichten dominiert, eine der Damen will gar das Video ihrer Darmspiegelung vorführen. Davon hat die Heldin nun genug. Resolut nimmt Oma Mahin (umwerfend grandios: Lily Farhadpour) die Dinge in die Hand. Kaum entdeckt sie im Rentner-Café einen Taxifahrer als idealen Kandidaten, geht sie in die Flirt-Offensive. Tatsächlich erwidert der Fremde ihre Avancen. Das Senioren-Paar im Single-Status verbringt einen Abend voller Zärtlichkeit und Leidenschaft, bis das Schicksal einen jähen Strich durch die Idylle macht. Mit großem Einfallsreichtum schlägt die Handlung vergnügliche Haken und bietet Überraschungen der unterhaltsamen Art. Mit viel Empathie samt reichlich plausibler Psychologie sind die Figuren ausgestattet. Mit diesem frisch verliebten Seniorenpärchen lacht und leidet man unbedingt gerne mit, wie sich an der Stimmung im Kinosaal bestens ablesen lässt. Für Situationskomik ist gleichfalls gesorgt. Von heimlichen gekauften blauen Pillen über eine allzu neugierige Nachbarin bis zum gemeinsamen Duschen der etwas anderen Art reicht die gelungene Pointen-Parade. Ganz nebenbei übt diese humanistische Komödie rigorose Kritik an den täglichen Schikanen der Staatsmacht. Frauen, deren Kopftuch nicht sitzt, werden von der Sittenpolizei ruppig abgeführt. Mutig stellt sich die Heldin dazwischen, kann eines der verunsicherten Mädchen sogar aus den Fängen der Häscher retten. „Würden Sie mit ihrer Mutter auch so grob umgehen wie mit mir?“ konfrontiert die 70-jährige Mahin den Polizisten, der plötzlich sehr kleinlaut von dannen zieht. Ähnlich mutig erweist sich das iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, die mit ihrem Film einiges an Sanktionen riskieren. Als Vorgeschmack wurde vom Mullah-Regime bereits die Ausreise zur Berlinale verboten. Den Triumph des Humanismus bei einem internationalen Publikum werden Betonköpfe eines mittelalterlichen Regimes freilich auf Dauer nicht aufhalten. Ein „Kuchen“, der eine glücklose Berlinale vor der Bedeutungslosigkeit bewahrte.(programmkino.de)Ausblenden