Keyke mahboobe man – IRN/F/S/D 2024, 97 Min. Regie: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha
mit Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi, Mohammad Heidari, Melika Pazouki
Der Publikumsliebling der Berlinale: Eine ebenso ergreifende wie vergnügliche Rom-Com der ganz besonderen Art
Weiterlesen...Die ersten Lacher gibt es bereits nach zwei Minuten. Viele weitere sollten folgen. Selbst Szenenapplaus, das seltensten Phänomen auf Filmfestivals, spendiert ein begeistertes Berlinale-Publikum. Einmal mehr beweist das iranische Kino, mit welch emotionalen Wucht es seine anrührenden Geschichten erzählt – und dabei auch vor Kritik am iranischen Mullah-Regime der Intoleranz nicht zurückschreckt. Erzählt wird die ungewöhnliche Lovestory einer 70jährigen Witwe, die ganz plötzlich wieder die Lust auf das Leben und die Liebe entdeckt. Tochter und Enkel leben längst im Ausland, nur selten gibt es Telefongespräche. Die Kaffeekränzchen mit Freundinnen werden häufig von bedrückenden Krankheitsgeschichten dominiert, eine der Damen will gar das Video ihrer Darmspiegelung vorführen. Davon hat die Heldin nun genug. Resolut nimmt Oma Mahin (umwerfend grandios: Lily Farhadpour) die Dinge in die Hand. Kaum entdeckt sie im Rentner-Café einen Taxifahrer als idealen Kandidaten, geht sie in die Flirt-Offensive. Tatsächlich erwidert der Fremde ihre Avancen. Das Senioren-Paar im Single-Status verbringt einen Abend voller Zärtlichkeit und Leidenschaft, bis das Schicksal einen jähen Strich durch die Idylle macht. Mit großem Einfallsreichtum schlägt die Handlung vergnügliche Haken und bietet Überraschungen der unterhaltsamen Art. Mit viel Empathie samt reichlich plausibler Psychologie sind die Figuren ausgestattet. Mit diesem frisch verliebten Seniorenpärchen lacht und leidet man unbedingt gerne mit, wie sich an der Stimmung im Kinosaal bestens ablesen lässt. Für Situationskomik ist gleichfalls gesorgt. Von heimlichen gekauften blauen Pillen über eine allzu neugierige Nachbarin bis zum gemeinsamen Duschen der etwas anderen Art reicht die gelungene Pointen-Parade. Ganz nebenbei übt diese humanistische Komödie rigorose Kritik an den täglichen Schikanen der Staatsmacht. Frauen, deren Kopftuch nicht sitzt, werden von der Sittenpolizei ruppig abgeführt. Mutig stellt sich die Heldin dazwischen, kann eines der verunsicherten Mädchen sogar aus den Fängen der Häscher retten. „Würden Sie mit ihrer Mutter auch so grob umgehen wie mit mir?“ konfrontiert die 70-jährige Mahin den Polizisten, der plötzlich sehr kleinlaut von dannen zieht. Ähnlich mutig erweist sich das iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, die mit ihrem Film einiges an Sanktionen riskieren. Als Vorgeschmack wurde vom Mullah-Regime bereits die Ausreise zur Berlinale verboten. Den Triumph des Humanismus bei einem internationalen Publikum werden Betonköpfe eines mittelalterlichen Regimes freilich auf Dauer nicht aufhalten. Ein „Kuchen“, der eine glücklose Berlinale vor der Bedeutungslosigkeit bewahrte.(programmkino.de)Ausblenden
Do. 20:30
ZWEI ZU EINS
D 2024, 116 Min. Regie: Natja Brunckhorst
mit Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld
Die Anatomie eines wahren Falls in den Wirren der Wendezeit als lakonisch nostalgische Komödie mit deutscher Starbesetzung
Weiterlesen...„Halberstadt Juli 1990. Noch DDR“ informiert eine Texttafel in großen roten Lettern vor dem Vorspann. Es folgt ein kleines Stimmungsbild zur Wende. „Das hätte ich auch nicht gedacht, dass uns einmal die Arbeit ausgeht!“ klagt Sandra Hüller alias Maren. Als Nummer 591 wird sie im Arbeitsamt aufgerufen. „Wir lassen uns doch nicht unterkriegen!“ - „Nein, auf keinen Fall!“ machen sich die wartenden Frauen gegenseitig Mut. Der Vorspann selbst wird mit hübscher Animation auf Banknoten der DDR geschrieben. Denn darum geht es. Um Geld, sehr viel Geld. Fast 400 Tonnen in kleinen und großen Scheinen werden nach der Wende in einem Stollen endgelagert. Nach der Währungsunion wird das Papiergeld mit den Köpfen von Marx und Engels wertlos. Ein paar Tage bleiben bis zum Stichtag freilich noch. Und da haben Maren und ihre Freunde eine ziemlich beste Idee! „Wir sind keine Verbrecher. Wir wollen nur ein bisschen Gerechtigkeit“, verteidigen die cleveren Währungshüter ihr innovatives Geschäftsmodell. Im Kollektiv ist man gemeinsam stark, so hat man es schließlich jahrzehntelang gelernt. Den überraschenden Wende-Reibach in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf. Von kleineren Streitereien einmal abgesehen. Zum originellen Währungs-Krimi gesellt sich eine ungewöhnliche Lovestory, bei der die selbstbewusste Heldin ihren beiden Softie-Liebhabern souverän die Ansagen macht. Spannende Story sowie überraschende Wendungen schaffen eine amüsante, deutsch-deutsche Heist-Komödie der ziemlich lässigen Art. Die originellen Dialoge klingten dabei so: „Wie kannst du eigentlich so aufrecht sitzen, ohne Rückgrat?“. Oder so: „Die Zeit überstehen. Und den Job nicht verlieren, das ist die Devise“. Das Ensemble hat sichtlich Spaß an dem listigen Lustspiel, das durch flottes Tempo sowie eine hübsche DDR-Ausstattung angenehm unangestrengt zu überzeugen vermag. Sogar Schwabenhasser kommen auf ihre Kosten, wenn Olli Dittrich als raffgieriger Wessi mit Stuttgarter-Kennzeichen vorfährt. So lakonisch komisch landet die Hüller gelassen den nächsten Coup. Wenn am Schluss ein sehr prominenter Politiker im gelben Pullover leibhaftig in Halberstadt erscheint, um den Skandal höchstpersönlich zu vertuschen, mag das dramaturgisch ein bisschen geflunkert sein. Die Geschichte selbst ist derweil verbürgt. Autorin und Regisseurin Natja Brunckhorst hat diesen Story-Schatz entdeckt. Und macht daraus glitzerndes Kino-Gold. (programmkino.de)Ausblenden