Am 16.8. zeigt das Kinoptikum

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Fr. 18:00
O.K.
Kintopp-Klassiker – BRD 1970, 80 Min.
Regie: Michael Verhoeven
mit Gustl Bayrhammer, Hartmut Becker, Eva Mattes
Der einstige „Skandalfilm“ von den Gräueln des Krieges
Weiterlesen... Es ist ein unmöglicher Film, damals wie heute, "o.k.", im Jahr 1970 produziert von Rob Houwer, Regie Michael Verhoeven. Ein Film, der Lässigkeit und Ernsthaftigkeit kombinieren will und dem dabei Brecht in den Sinn kommt, dessen Verfremdungstheater. Und der dann selbst absurdes Theater provoziert und die Berlinale sprengt.
Michael Verhoeven hatte Ende der Sechziger für Rob Houwer zwei sehr deutsche Lustspiele gedreht: "Engelchen macht weiter - hoppe, hoppe Reiter" mit Mario Adorf und Gila von Weitershausen und "Der Bettenstudent oder: Was mach´ ich mit den Mädchen?" mit Weitershausen und Hannelore Elsner. Es ist noch keine zehn Jahre her, dass das Manifest von Oberhausen verfasst wurde, in dem ein anderes deutsches Kino gefordert wurde, politisch und selbstbewusst, Rob Houwer hat es mitunterzeichnet. Im Spiegel las Verhoeven einen Bericht über einen Trupp amerikanischer Soldaten im Vietnamkrieg, die sich im Bong-Son-Tal ein vietnamesisches Mädchen schnappten, es drangsalierten, vergewaltigten, töteten. Er schreibt ein Theaterstück darüber, "Massaker", und macht dann einen Film daraus, "o.k."
Wir wissen nicht, wo das Bong-San-Tal ist, sagt einer der Schauspieler, als sie sich zu Beginn kurz vorstellen und ihre Rollen einnehmen. Das Spiel von Nähe und Distanz, sie sprechen Bairisch, das untertitelt wird. Bayern ist nah ... Gedreht wurde im Forst hinter Verhoevens Haus in Grünwald. Auch das Mädchen stellt sich vor, "ich bin Eva Mattes, sechzehn Jahre, ich spiele Mao".
Der erste Teil ist dann erst mal recht possenhaft, die Langeweile an der Dschungelfront. Schützenlöcher ausbuddeln, Frotzeleien, die ersten Frühlingsblumen sind schon da, Krokus und Seidelbast, "für die Natur, da braucht man einen Blick", ein Schokohase, es ist der Osterwaffenstillstand. Beträchtliche Zeit wird mit Watten verbracht, dem bayerischen Kartenspiel, da kommt die Untertitelung nicht mit. Das Mädchen radelt vorbei, mit einer Milchkanne.
Der zweite Teil ist aufdringlich, gemein, brutal. Das Mädchen wird gezwungen, seine letzte Beichte vor den Soldaten noch einmal zu wiederholen. Das geilt die Burschen auf. Verhoeven selbst verkörpert den guten Soldaten, der rennt davon und macht Meldung von dem Vorfall beim Captain - das ist Gustl Bayrhammer in US-Uniform, er schenkt erst mal zwei Runden Enzian aus und wiegelt dann alles ab.
Die Grausamkeiten in Vietnam gab es damals täglich in den Fernsehnachrichten, erinnert sich Verhoeven, sein Film legt ihren Kern bloß, den Mechanismus der Gewalt. Er wird der deutsche Beitrag der Berlinale, die damals noch ein Sommerfestival war. Es gibt viel Zustimmung bei der Premiere, aber der Jurypräsident George Stevens findet ihn antiamerikanisch. Es gibt Versuche, den Film vom Wettbewerb auszuschließen, Festivalchef Alfred Bauer verheddert sich in seinen Versuchen, alles runterzuspielen, das Jurymitglied Dusan Makavejev steckt die internen Vorgänge der Presse. Von Zensur ist die Rede. Houwer und Verhoeven ziehen den Film zurück, die Berlinale wird sang- und klang- und preislos abgebrochen. Kino als Happening, ein Film, der sich einfach nicht festivalwürdig und gediegen geben will. Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim andern hinausgegangen, wird anfangs Karl Kraus zitiert. (SZ)
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Fr. 20:30
WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN
Kintopp-Klassiker – BRD 1967, 94 Min.
Regie: Rolf Olsen
mit Erik Schumann, Fritz Wepper, Marianne Hoffmann
Ein delirierendes Zeit- und Sittengemälde aus unserer Kinemathek
Trailer zu WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN
Weiterlesen... Die Reeperbahn, das ist Tourismusmagnet und sündiges Treiben, ein faszinierender Mythos der Freiheit und ein Hort der Kriminalität. Das gilt heute genauso wie Ende der 1960er Jahre, als Rolf Olsen „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ drehte, weil die öffentliche Wahrnehmung des Hamburger Vergnügungsviertels St. Pauli ein Produkt ihrer Selbstdarstellungskunst ist. Der Wandel der Verhältnisse im Hintergrund ändert nur wenig daran. Der Österreicher Rolf Olsen war sich der symbolischen Kraft St. Paulis bewusst, sodass er mit den reißerischen Elementen spielte, um seine Themen abzuhandeln.
Stellvertretend für den Zuschauer schickte Olsen den Reporter Danny Sonntag (Erik Schumann) in den Sumpf Hamburgs, wo der ambitionierte Sensationsjournalist ein paar Jungspunden aus gutem Hause auf die Füße tritt. Unter Führung des rebellischen Feuer-Hotte (Jürgen Draeger) vermieten die smart auftretenden Kriminellen willige Schülerinnen an wohlhabende Bürger der Stadt, die sich mit den Mädchen vergnügen. LSD aus der Werkstatt des chemisch begabten Till Voss (Fritz Wepper) gehört bei den Sexpartys zum guten Ton. Die rotzig auftretende Pinky (Tanja Gruber) lichtet in ihrem kleinen Fotostudio einige der Schülerinnen ab, damit sich die alten, mächtigen Männer auch jenseits der Partys am Anblick nackter Tatsachen erfreuen können. Sonntags Nachforschungen erschüttern das labile Gleichgewicht der Gruppe, die zusätzlich durch innere Vorgänge bedroht wird. Denn Till, der Sohn des Wirtschaftsbosses Wilhelm Voss (Herbert Tiede), will aussteigen, nachdem er sich in die unschuldige Lotti Norkus (Marianne Hoffmann) verliebt hat. Ohne Tills LSD ist Feuer-Hottes Geschäftsmodell jedoch am Ende. Deswegen knüpft Hotte eine schändliche Intrige, die auch vor Lotti nicht Halt macht.
Olsen hat inszenatorisch keine feinsinnig-gestalteten Handlungsabläufe mit schwer zu entdeckenden Subtilitäten im Sinn. Er baut auf die Kraft greller Sensationen, die er so geschickt miteinander verschachtelt, dass ein galliges, zugespitztes Sittenporträt entsteht. Die Haupthandlung um Feuer-Hotte flankiert Olsen mit kleinen Randnotizen, die dramaturgisch fast unwichtig sind, aber zum Gesamtbild beitragen. Ein Unternehmer fährt gleich zu beginn eine drogengeschwängerte, junge Frau an und begeht Fahrerflucht. Der Kleinkriminelle Uwe (Heinz Reincke) nutzt sein Wissen über den Vorgang, um den Unternehmer immer wieder zu erpressen. Diese Episoden schärfen den Blick für das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher oder auch politischer Macht auf der einen Seite und den Niederungen des reinen Überlebens auf der anderen Seite. Dabei unterscheiden sich beide egoistischen Verhaltensweisen durch die Motivation. Der Unternehmer will seinen gehobenen Status sichern, der andere braucht einfach Geld, um sich was zu essen kaufen zu können. Im Sumpf der Kriminalität stecken sie beide. Hier treffen die gesellschaftlichen Schichten aufeinander.
So vermittelt Olsen ein Gefühl für das Milieu, in dem die hohen Herren in ihrer Freizeit aktiv sind, obwohl es über weite Strecken nahezu unsichtbar erscheint. Denn sie vergnügen sich mit Schülerinnen, die von Söhnen aus gutem Hause vermittelt werden und nicht der kriminellen Unterschicht angehören. Ihren Spaß haben die Mächtigen aber nicht im luftleeren Raum. Allein die Örtlichkeiten, in denen die Sexpartys stattfinden, verbinden sie mit dem Milieu. Hier leben sie ihre schmierigen Gelüste aus. Zur Triebbefriedigung auf fragwürdigem Feld gesellt sich noch eine ungute Verquickung mit politischen Entscheidungen. Die Korruption ist die Schwester der Ausschweifung. Die Berührungspunkte bleiben jedoch dezent. Dadurch reflektiert der Film die Scheinwelt, in der die Unternehmer und Politiker leben. Sie betrügen sich selbst, indem sie das Milieu so weit wie möglich außen vor lassen. Nur so schaffen sie es, nicht an ihrer Widerwärtigkeit zugrunde zu gehen. Die dramatischen Ereignisse untergraben den Selbstbetrug jedoch. Unnachgiebig hetzt Olsen den ausstiegswilligen Till auf seinen Vater, den er schließlich mit seiner Freundin erwischt. Die Konfrontation zertrümmert das sorgsam aufgebaute Gebilde aus bigotter Kultiviertheit und ritualisierter Sexausbübung. Die wahre Natur tritt offen zutage. Für die Machtelite hat Olsen nur wenig übrig.
„Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ porträtiert mit galliger Direktheit die Verkommenheit in der Gesellschaft, die sich durch unterschiedliche Milieus zieht. Dabei seziert Olsen vor allem die scheinbare Kultiviertheit der Machtelite, deren trieb- und korruptionsgesteuertes Handeln er präsentiert. (kino-zeit.de)
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