Am 2.12. zeigt das Kinoptikum

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Sa. 15:30
OINK
KinderKinoKnor – NL 2022, 70 Min.
Regie: Mascha Halberstad
Ein Schweinchen namens Oink (empfohlen ab 6 Jahren)
Trailer zu OINK
Weiterlesen... Es ist ihr 9. Geburtstag, und Babs wünscht sich doch so sehr einen jungen Hund – aber ihr Vater ist nun mal allergisch gegen Hunde, da kann man eigentlich nichts machen. Ihr bester Freund Tijn kann ihr auch nur ihren zweitgrößten Wunsch erfüllen, ein Skateboard, von ihm selbst repariert und schick hergerichtet.
Da präsentiert Opa sich als Retter in der Not. Jener Opa Tuitjes aus Amerika, der erst vor ein paar Tagen plötzlich aufgetaucht ist, Cowboystiefel an den Füßen, der passende Hut auf dem schütteren Haar, ein Banjo umgehängt, auf dem er abends vor der Gartenhütte, in der er es sich gemütlich eingerichtet hat, Lieder spielt und singt.
Babs’ Mutter ist gar nicht begeistert darüber, dass ihr Vater wieder da ist, sie scheint ihm nicht über den Weg zu trauen – aber nun nimmt er Babs mit auf einen Bauernhof, dort darf sie sich ein süßes neugeborenes Ferkel aussuchen, es ist Liebe auf den ersten Blick. So kann auch ein 25 Jahre lang abwesender Großvater das Herz der Enkelin gewinnen, und Mama bleibt nur die Rolle, die doofen Regeln aufzustellen: Das Schwein, Oink getauft, darf nicht ins Haus, nicht in den Gemüsegarten und vor allem: nicht überall hinmachen. Die Sache mit dem Exkrement wird dann später noch einmal äußerst bedeutsam, zunächst aber kann das Jungtier einfach seine Darmendprodukte nicht bei sich behalten – es beginnt harmlos mit ein wenig Gas und endet nicht bei flotten Tanzrotationen im Wohnzimmer.
Mascha Halberstads „Oink“ erinnert uns immer wieder und vielleicht ein wenig zu erfolgreich daran, wie wenig Exkremente im Kino sonst eine Rolle spielen – oder allenfalls für Momente des grotesken Humors oder groben Ekels. Damit spielt dieser bezaubernde Kinderfilm natürlich, sicher zur großen Begeisterung des jungen Publikums, aber: Das alles hat am Ende auch ein narratives Ziel.
Es geht in „Oink“ freilich alles andere als fotorealistisch zu: Die Niederländerin Halberstad inszeniert die Geschichte als Stop-Motion-Trickfilm mit ganz und gar überzeugenden Figuren. Die etwas zu großen Köpfe zeigen ausdrucksstarke Gesichter, Haare bewegen sich im Wind, der prächtige Schnurrbart des Opas zuckt bei seinen Bewegungen.
Das alles spielt sich vor deutlich niederländisch geprägten Landschaften – flach –, in kleinstädtischen Gassen, Parks und Gärten ab, es ist lebhaft und lebendig, man vergisst im Handumdrehen, dass man es mit kleinen Puppen zu tun hat. Das liegt vor allem an den Figuren und den klug reduzierten Dialogen, in denen vergangene Verletzungen und Erfahrungen stets anklingen, aber lange nicht ausgesprochen werden.
Es lässt sich schnell erahnen, dass die Rückkehr des Großvaters womöglich nicht so zufällig ist, wie er behauptet – vor allem Tijn bleibt skeptisch, allerdings womöglich vor allem, weil er Babs’ Aufmerksamkeit allenfalls noch mit Oink, aber nicht mit diesem seltsamen Opa teilen möchte. Aber ominös ist es schon, dass im lokalen Fernsehen immerzu von dem großen Würstchen-Wettbewerb berichtet wird, der schon ganz bald wieder stattfinden soll und auf dem es vor 25 Jahren zu einem großen Eklat kam … und was versteckt Tuitjes in seinem großen Koffer? Oder ist er doch der nette Opa, dem es nur um das Glück seiner Enkelin geht?
„Oink“ traut sich, die Erwartungen und Hoffnungen des Publikums auf ein Happy End erstganz schön zu erschüttern, bevor der Film dann nach einer ziemlich wilden Verfolgungsjagd in etwas ungelenken Fahrzeugen die Rettung, ins Exkrementelle gesteigert, doch noch aus dem Fleischwolf zaubert. So naht am Ende das Happy End dann doch – für Oink, für Babs, sogar für die Kochkünste von Babs’ Mutter.
Aber dann hat man einen Animationsfilm gesehen, der die Zwischentöne ebenso beherrscht wie das etwas Brachialere und dessen Macherinnen nicht allein auf die Technik geachtet haben, sondern eine kluge Geschichte fern von stereotyper Figurenzeichnung erzählen wollten. Solche Schweinereien darf es bitte mehr auf der Leinwand geben! (filmdienst)
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Sa. 18:00
VIENNA CALLING
MonatsDoku – D/Ö 2023, 85 Min.
Regie: Philipp Jedicke
Eine musikalische Reise ins subkulturelle Herz der österreichischen Hauptstadt
Trailer zu VIENNA CALLING
Weiterlesen... „Vienna Calling“ begibt sich auf eine Reise ins subkulturelle Herz der österreichischen Hauptstadt, deren musikalischer Puls durch Künstler wie Bilderbuch, EsRap, Wanda oder Voodoo Jürgens schlägt. Hedonistisch und nihilistisch zugleich, verkörpern sie den Gegenentwurf zum Selbstoptimierungswahn. Sie sind unangepasste, skurrile Charaktere – und füllen Konzerthallen von Wien bis Hamburg.
"Und wenn die Hässlichen schöner werden und die Stummen fangen an zu schreien, sich die Freunde aufs Maul hauen, ist die Bagage wieder zusammen. Voodoo Jürgens besingt die Nacht. Und die Willigen werden schwanger und die Geldbörsen werden leer. Und der Schmäh wird eine Spur derber. Atmosphärischer und schwarzhumoriger kann man ein Saufgelage nicht besingen. VIENNA CALLING wirft einen liebevollen Blick auf die subkulturelle Musikszene Wiens, in der sich unangepasste Musiker*innen mit intelligentem Songwriting und schmutzigen Details Texte voller Selbstironie liefern. Der Nino aus Wien und Voodoo Jürgens, EsRAP und Kerosin95 lassen den musikalischen Puls der Stadt Wien höherschlagen." (Ina Borrmann)
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Sa. 20:30
MIT LIEBE UND ENTSCHLOSSENHEIT  DF
Cinema francaisAvec amour et acharnement – F 2022, 116 Min.
Regie: Claire Denis
mit Juliette Binoche, Vincent Lindon, Grégoire Colin
Eine emotional wuchtige Menage-á-trois rund um Juliette Binoche
Trailer zu MIT LIEBE UND ENTSCHLOSSENHEIT
Weiterlesen... Urlaub am Meer. Sara (Juliette Binoche) und ihr Lebensabschnittsgefährte Jean (Vincent Lindon) fühlen sich frei und glücklich, wie zwei Delphine schwimmen sie nebeneinander her. Nach ihrer Rückkehr ins Pariser Stadtleben kehrt die Alltagsroutine zurück, eine Zäsur ergibt sich, als Sara im Gewimmel einer Metrostation zufällig einen längere Zeit nicht gesehenen Freund entdeckt. Dieser Moment trifft sie wie ein Blitzschlag. Zufällig erzählt ihr Jean, dass just dieser Freund ihm die Partnerschaft in einer Agentur zur Vermittlung junger Rugby-Talente angeboten hat. Eine Begegnung von Sara mit François (Grégoire Colin), über den sie vor mehr als zehn Jahren Jean überhaupt erst kennengelernt hatte, bleibt nicht aus. Und dieses Wiedersehen sorgt in der Folge dafür, dass nicht nur für Sara eine Achterbahnfahrt der Emotionen beginnt und sie sich entscheiden muss, mit welchem der beiden Männer, denen sie sich auf doch recht unterschiedliche Weise in Liebe verbunden fühlt, sie zusammenleben möchte.
Die Geschichte, die Claire Denis in ihrem jüngsten, 2022 bei den Filmfestspielen in Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichneten und im Herbst dann auch bei den Französischen Filmtagen in Tübingen/Stuttgart vorgestellten Werk verhandelt, ist im Grundsatz keine neue. Doch erzählt und vor allem gespielt ist sie mit einer Intensität, wie man sie auf der Leinwand nur selten zu sehen bekommt. Was Sara fühlt, das meint man als Zuschauender förmlich selber zu spüren. „C’est repartie“, sagt Sara über die Rückkehr schlafloser Nächte und über ihr inneres Aufgewühltsein, welches sie manchmal wie unter einer Trance erscheinen lässt. Auch Lindon ist in seinen Reaktionen und in seiner Haltung wahrhaftig, gestresst zudem durch im Nebenplot verhandelte Probleme mit seinem jugendlichen Sohn, um den zu kümmern sich dessen Großmutter (Bulle Ogier) jedoch überfordert fühlt. Denis legt dabei immer wieder auch die Mechanismen gesellschaftlicher Rollenbilder offen, die zum Beispiel die Frau als ohnmächtig und bevormundet charakterisieren, ohne dass es den Männern des Films in irgendeiner Art und Weise bewusst wäre und dazu führt, dass beide Männer auf jeweils ihre Art und Weise Druck auf die von ihnen begehrte Frau ausüben. Nach und nach einstreute Hinweise auf die Vorgeschichte der beiden Männer helfen dabei, die Figuren in ihrem Verhalten besser zu verstehen.
Claire Denis und ihre Co-Autorin Christine Angot haben schon 2017 beim Spielfilm „Meine schöne innere Sonne“, in dem es um Roland Barthes Buch „Fragmente einer Sprache der Liebe“ ging, zusammengearbeitet. Diesmal gab Angots Roman „Un tournant de la vie“ den Anstoß für dieses seinen Figuren immer wieder auch in Nahaufnahmen auf den Leib rückendes Liebesdrama. Ein Drama, dass sich bekannten Erzählmustern jedoch entzieht und mit der menschlichen Psyche zu spielen weiß.
Interessant auch zu beobachten, wie und wann pandemiebedingt Masken getragen werden, wie Küsschen links und rechts selbst bei Begegnungen mit sehr vertrauten Menschen unterbleiben und zu Distanz führen. Weitere gesellschaftliche Aktualität liefern Interviews von Sara als Radiojournalistin mit der libanesischen Verlegerin Hind Darwish zum Thema Flucht und Immigration oder Aussagen über die von Ex-Fußballstar Lilian Thuram in seinem 2021 erschienenen Buch „Das weiße Denken“ geäußerten Gedanken zu Rassismus und der Rolle der Hautfarbe als psychologischem Problem. Nicht unwesentlich ist auch die Rolle, die einmal mehr die britische Band Tindersticks - seit „Nénette et Boni“ sind sie bei Claire Denis gesetzt – spielt. Ihr hypnotischer Score mit oft düsteren Streichern, die in ihrer Schwere an die Auftragsarbeit „Ypres“ (2014) erinnern, verstärkt die bewegten Gefühle von glücklichen Zeiten am Meer bis hin zu aufbrausenden Streitigkeiten in Paris aufs Intensivste.
(programmkino.de)
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