Am 25.11. zeigt das Kinoptikum

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Sa. 15:30
ENTE GUT! MÄDCHEN ALLEIN ZU HAUS
KinderKino – D 2016, 95 Min.
Regie: Norbert Lechner
mit Linda Anh Dang, Lynn Dortschack
Ein "besonderer Kinderfilm" über ungezogene Mädchen im Plattenbau (empf. ab 6 Jahren)
Trailer zu ENTE GUT! MÄDCHEN ALLEIN ZU HAUS
Weiterlesen... Es lebt sich, diesen Eindruck könnte man haben, eher dysfunktional in Halle-Neustadt. Pauline (Lisa Bahati Wihstutz), elf Jahre alt, wird wegen ihrer roten Haare in der Schule gehänselt – und zugleich klaut man ihre Hausaufgaben, schließlich ist sie nicht nur eine gute Schülerin, sondern auch fleißig. Aus Einsamkeit und Langeweile beobachtet sie abends mit dem Fernrohr die Familien im Hochhaus nebenan und macht sich Notizen: Die eine Frau isst schon wieder fette Ente vom Asia-Imbiss, die andere streitet mit ihrem Mann …
Als ihr auffällt, dass die Mutter von Linh (Lynn Dortschack) und Tien (Linda Phuong Anh Dang) verreist ist und die beiden Mädchen allein zuhause gelassen hat – die Großmutter der Kinder in Vietnam ist krank geworden – verlangt sie von den beiden Geld, sonst werde sie ihnen das Jugendamt auf den Hals hetzen. Aus der versuchten Erpressung wird dann aber eine Freundschaft, die einige Male auf eine harte Probe gestellt wird: Zuerst verschwindet Geld aus Linhs Wohnung, dann gibt es Ärger mit der Schule und schließlich auch mit dem Jugendamt …
Weil ihre alleinerziehende Mutter zur kranken Oma nach Vietnam muss, kümmert sich die elfjährige Linh allein um ihre kleine Schwester Tien. Und nicht nur das: neben Haushalt und Erziehung sind da noch die täglichen Schulaufgaben und der vietnamesische Imbiss, der am Laufen gehalten werden will. Niemand darf davon wissen, aber der gleichaltrigen Pauline aus dem Nachbarhaus entgeht nichts. Die Außenseiterin verbringt die meiste Zeit damit, die Um-gebung auszuspionieren und hat überhaupt keine Skrupel, die Notlage der beiden Schwestern für sich auszunutzen und Schweigegeld zu erpressen. Jeden Tag lauert sie den Mädchen auf und drängt sich immer mehr in deren Leben. Eigentlich geht es Pauline gar nicht um Geld, sondern um Abenteuer – sie möchte mit den beiden Schwestern eine Bande gründen und die elternlose Zeit ausnutzen. Kein Wunder, wird sie doch in der Schule gemobbt und von ihren Helikopter-Eltern mit zu viel Fürsorge überschüttet. Aus der anfänglichen Erpressung entwickelt sich nach und nach eine Freundschaft zwischen der selbsternannten Spionin und den „Fidschis“, wie Linh und Tien in der ostdeutschen Plattenbausiedlung genannt werden. Nun setzen die drei gemeinsam alles daran, den Schein zu wahren. Doch das wird immer schwieriger, denn die Klassenlehrerin bestellt Linhs Mutter in die Schule und auch Frau Trost vom Jugendamt scheint Verdacht zu schöpfen. Ihre letzte Chance scheint es zu sein, den unbekannten Vater von Linh und Tien zu finden, von dem sie nur wissen, dass er Deutscher ist. Aber wo sollen sie suchen? Und will er ihnen überhaupt helfen?
Mit Humor, Herz und voller Abenteuerlust erzählt Norbert Lechners neuer Kinderfilm von der außergewöhnlichen Freundschaft dreier Mädchen, die kulturelle Unterschiede spielend überwinden. Der Gewinnerfilm der Initiative „Der besondere Kinderfilm“ ist in seiner Aktualität und mit seinen hervorragenden Darstellern ein überzeugendes Plädoyer für Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Toleranz. (kino-zeit.de)
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Sa. 18:00
VIENNA CALLING
MonatsDoku – D/Ö 2023, 85 Min.
Regie: Philipp Jedicke
Eine musikalische Reise ins subkulturelle Herz der österreichischen Hauptstadt
Trailer zu VIENNA CALLING
Weiterlesen... „Vienna Calling“ begibt sich auf eine Reise ins subkulturelle Herz der österreichischen Hauptstadt, deren musikalischer Puls durch Künstler wie Bilderbuch, EsRap, Wanda oder Voodoo Jürgens schlägt. Hedonistisch und nihilistisch zugleich, verkörpern sie den Gegenentwurf zum Selbstoptimierungswahn. Sie sind unangepasste, skurrile Charaktere – und füllen Konzerthallen von Wien bis Hamburg.
"Und wenn die Hässlichen schöner werden und die Stummen fangen an zu schreien, sich die Freunde aufs Maul hauen, ist die Bagage wieder zusammen. Voodoo Jürgens besingt die Nacht. Und die Willigen werden schwanger und die Geldbörsen werden leer. Und der Schmäh wird eine Spur derber. Atmosphärischer und schwarzhumoriger kann man ein Saufgelage nicht besingen. VIENNA CALLING wirft einen liebevollen Blick auf die subkulturelle Musikszene Wiens, in der sich unangepasste Musiker*innen mit intelligentem Songwriting und schmutzigen Details Texte voller Selbstironie liefern. Der Nino aus Wien und Voodoo Jürgens, EsRAP und Kerosin95 lassen den musikalischen Puls der Stadt Wien höherschlagen." (Ina Borrmann)
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Sa. 20:30
PROMISING YOUNG WOMAN  DF
Tag gegen Gewalt – USA 2022, 114 Min.
Regie: Emerald Fennell
mit Carey Mulligan, Bo Burnham, Laverne Cox
Die originelle, teils bitterböse Variante eines "Rape-and-Revenge"-Thrillers
Trailer zu PROMISING YOUNG WOMAN
Weiterlesen... Schon die ersten Bilder von „Promising Young Woman“ machen klar, dass dieser Film anders ist: Die Kamera zeigt tanzende Körper, Hintern, Schenkel, zeigt Hüftschwingen, angedeutete Kopulationsbewegungen – aber die Körper gehören zu Männern. Mit diesem simplen Trick ist er schon entlarvt, der male gaze der Kamera, der gerne als „objektiv“ wahrgenommen wird, jedoch tatsächlich gerade Frauen oft zum Objekt werden lässt. Hier aber sind es Männer, die zum Objekt werden – und dieser Trick, den Schauenden die eigenen Sehgewohnheiten vorzuführen, wird Emerald Fenells Film im Folgenden immer wieder anwenden. Er ist das Grundprinzip dieses Films, der deshalb auch beim ersten Sehen am entlarvendsten ist, wenn man möglichst wenig über die Handlung im Vorfeld weiß. Da es aber nicht möglich ist, über diesen Film zu schreiben, ohne Handlungselemente zu benennen, folgt hier ausnahmsweise der Hinweis, dass die folgende Kritik Spoiler beinhaltet.
Dieser Blick der Kamera hat einen Grund. Denn auf Männer hat es Cassie (Carey Mulligan) abgesehen – nicht auf einen bestimmten Mann, sondern auf einen bestimmten Typus: den netten Kerl. Ein solches Exemplar ist es nun auch, das sich aus der Unterhaltung mit seinen offensichtlich chauvinistischen Kollegen löst, um die scheinbar sturzbetrunkene junge Frau zu fragen, ob er ihr helfen könne. Aber er ruft ihr nicht einfach ein Taxi, sondern nimmt sie mit in seine Wohnung. Dort gibt er ihr noch mehr Alkohol und will sie penetrieren, obwohl sie offensichtlich so betrunken ist, dass sie keine Zustimmung mehr geben kann. Allerdings ist Cassie nicht betrunken. Sie tut nur so – und dann, ja, wenn sie feststellen, dass sie doch nüchtern ist, dann sind diese netten Kerle doch sehr erschrocken.
Regelmäßig zieht Cassie los, um ihre private Rache zu üben. Ihr Medizinstudium hat sie abgebrochen, sie lebt wieder bei ihren Eltern und arbeitet in einem Coffee-Shop. Vor allem aber vermisst sie ihre Kindheitsfreundin Nina, die auch der Grund ist, warum sie tut, was sie tut. An Beziehungen ist sie nicht interessiert, sie hält die Menschen auf Distanz. Dann taucht Ryan (Bo Burnham) auf. Er hat mit ihr studiert, war immer ein bisschen verknallt in sie und ist so harmlos, so sympathisch, nett und witzig, dass sie seinem Werben nicht widerstehen kann. Aber Ryan hat auch noch Kontakt zu den alten Mitstudent*innen, die mittlerweile alle erfolgreiche Leben haben. Und an manche von ihnen hätte Cassie lieber nicht mehr gedacht.
Drehbuchautorin und Regisseurin Emerald Fenell spielt in ihrem Film geschickt mit visuellen Stereotypen – sei es am Anfang oder später die zuckersüße, leicht pinkige Ausstattung in dem Café und bei Cassies Kleidung. Sie nimmt das Girlige, das Niedliche als Kontrapunkt zu Cassies Verhalten, deutet immer wieder auch mehr Gewalt an als tatsächlich stattgefunden hat. Das ist ein gutes Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer*innen, das einem vor Augen führt, was man mittlerweile so gewohnt ist. Das aber auch Grenzen austestet, weil man sich unweigerlich fragt, wie weit Cassie gehen wird – und ob sie zu weit geht.
Bei ihren Rachefeldzüge arbeitet sich Cassie – wie der Film in seiner Inszenierung insgesamt – vor allem an Stereotypen ab: Schon die „netten Jungs“, die sie aussucht, lassen sich Typen zuordnen. Dazu kommt die Verantwortliche, die lieber College-Jungs schützt als College-Mädchen zu glauben; das andere Mädchen, das lieber der Betrunkenen die Schuld gibt; der Anwalt, der das Opfer unter Druck setzt. Jedoch trifft Fennell mit diesen vermeintlichen Klischees einen Kern: Ausreichend Berichte insbesondere von sexualisierter Gewalt auf College-Campussen weisen in genau diese Richtung. Dort liegt das Problem.
Für Cassie jedoch gibt es aus dieser Rache keinen Ausweg, wenngleich er sich kurz einmal andeutet. Sie ist nicht das direkte Opfer sexualisierter Gewalt, ihre Freundin ist es, die vergewaltigt wurde. Aber sie musste seither nicht nur miterleben, welche Folgen die Gewalt hatte, sondern wie wenig sich das System für die Opfer interessiert. Deshalb gibt es letztlich keine zufriedenstellende Gerechtigkeit – nicht in der patriarchalen Gesellschaft, in der wir leben. Insbesondere das vieldiskutierte Ende macht das mehr als deutlich – es ist nihilistisch und zutiefst herzzerbrechend. In diesem tieftraurigen letzten Twist steckt die bittere Gewissheit, dass Polizei und Strafverfolgungsbehörden eine erschreckende Statistik bei sexualisierten Gewaltverbrechen haben. Aber Mord ist etwas anderes, eine Tote ist etwas anderes – insbesondere wenn sie jung und weiß ist. Und ein ehemaliger Anwalt mit schlechtem Gewissen die Gelegenheit bekommt, etwas gut zu machen.
Dieses Ende funktioniert innerhalb des Films, dem in der bisherigen Rezeption allerhand zugeschrieben wurde und der durch die Preise und Nominierungen viel Aufmerksamkeit bekommen wurde. Promising Young Woman ist ein bitterböser Film über eine Frau, die sich rächt. Aber er erfindet nicht das Rape-Revenge-Movie-Schema neu, er ist schon gar keine radikale feministische Umdeutung. Vielmehr macht er deutlich, dass über dieses Subgenre an sich geredet werden sollte, über den Umgang mit Vergewaltigung als Handlungsmovens, über die Konzentration auf Rache als einzig möglicher Umgang mit Trauma. Und nicht zuletzt auch darüber, warum Trauma allzu oft dazu dient, dem Publikum etwas zu erklären. Promising Young Woman könnte der Film sein, der genau diese Unterhaltungen anregt.
(kino-zeit.de)
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