Am 28.9. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
PEARL  OmU
Cinema Obscure – USA/CAN/NZ 2023, 102 Min.
Regie: Ti West
mit Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright
Das Prequel zu „X“ vom Erwachen des dunklen Herzens der ikonischen Blutrausch-Killerin.
Trailer zu PEARL
Weiterlesen... Pearl lebt bei ihrer Mutter und ihrem pflegebedürftigen Vater, während ihr Mann im Krieg ist. Ihre Mutter ist herrisch. Die junge Frau träumt indes davon, etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie möchte tanzen. Als sie hört, dass in der örtlichen Kirche ein Vortanzen für eine Show stattfindet, will sie unbedingt daran teilnehmen. Ihre Mutter verbietet es, doch das ist der Moment, an dem Pearl, die schon immer Freude daran hatte, Tiere zu töten, aus ihrem Korsett ausbricht. Sie ist gewillt, zu tun, was immer auch notwendig ist, um ihren Traum zu erfüllen. Und wenn das nicht gelingt, dann macht sie aus dem, was sie hat, das Beste ...
Während „X“ aussah wie ein Film der 1970er Jahre, mutet „Pearl“ weit altmodischer an. Nicht wie ein Stummfilm jener Dekade, in der er spielt, eher schon wie ein Film der 1930er Jahre. Schon die Stabsangaben am Anfang machen das deutlich. Die Inszenierung aber auch. „Pearl“ hat etwas Märchenhaftes, die Hauptfigur ist eine Art verdrehte Version von Dorothy aus „Der Zauberer von Oz“. Die ausdrucksstarken Farben unterstützen dieses Feeling noch.
Der Film selbst ist vor allem ein psychologisches Drama. Eines über familiären Missbrauch, aber auch eines über einen zutiefst verstörten Menschen. Denn Pearl war nie normal - das weiß auch ihre Mutter, und genau darum behandelt sie die Tochter, wie sie es tut. Wenn Pearl sich unbeobachtet fühlt, dann tötet sie, wobei die Tiere, denen sie den Garaus macht (und dann an den Alligator im See verfüttert) immer größer werden. In Pearl schlummert alles, was einen Serienkiller ausmacht. Es brauchte nur noch den einen Schubs, um sie endgültig in den Abgrund zu stoßen.
Die ersten zwei Drittel des Films sind vor allem ein Drama, erst dann entfaltet sich der Horror, den Fans von Ti West vielleicht erwarten. Dann kommt es auch zum Morden, wobei Pearl nimmt, was zur Hand ist - sei es Mistgabel oder Axt. Die letzte Einstellung ist dann eine, die lange nachwirkt. Sie weckt Reminiszenzen an die Filme, die auf Basis der Morde von Ed Gein geschahen, und sie erlaubt den Blick in das groteske Bild des Wahnsinns.
Der Film gehört ganz Mia Goth. Sie meistert den Südstaaten-Akzent, sie liefert eine atemberaubende Tanzeinlage ab, und sie versteht es, den Wahnsinn ihrer Figur greifbar zu machen. Es gibt den einen Moment, in dem sie wirklich bricht, gefolgt von einer minutenlangen Sequenz, die ohne jeden Schnitt auskommt und in der Goth eine schauspielerische Tour de Force abliefert, die eindrucksvoll ist.
Wie es mit Pearl ausgeht, hat man in „X“ gesehen, wie es mit der Überlebenden aus „X“ weitergeht, wird sich im dritten Teil „Maxxxine“ zeigen, der in den 1980er Jahren spielt. Neben Goth hat Ti West ein wirklich namhaftes Ensemble versammelt. Mit dabei sind Elizabeth Debicki, Moses Sumney, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Lily Collins, Halsey, Giancarlo Esposito und Kevin Bacon.
(programmkino.de)
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Do. 20:30
DAS KOMBINAT
MonatsDoku – D 2023
Regie: Moritz Springer
Die ambivalente Langzeitbeobachtung eines Projekts solidarischer Landwirtschaft in München
Trailer zu DAS KOMBINAT
Weiterlesen... Nicht nach Profit, sondern nach dem Bedarf wirtschaften, gemeinschaftlich füreinander und nicht nach ökonomischen Tauschprinzipien, kurz: nicht weniger als die Überwindung des Kapitalismus ist das Ziel des Kartoffelkombinats. Das ist eine landwirtschaftliche Genossenschaft bei München, gegründet 2011: ein idealistisches Unternehmen, das sich in der realen Welt nicht nur behaupten, sondern diese Welt auch verändern will. Mit „Das Kombinat“ blickt Moritz Springer auf das größte Projekt solidarischer Landwirtschaft; er hat es fast zehn Jahre lang begleitet.
Schon in Projekt A, seinem Film über verschiedene – im weitesten Sinne – anarchistische Projekte hat Springer das Kartoffelkombinat vorgestellt; das war 2015, damals war dort noch alles erfüllt vom Aufbruchsgedanken. Hier knüpft Das Kombinat an.
Im ersten Kapitel setzt Springer auf Werbeästhetik. Er ist offensichtlich eng verbunden mit dem Kombinat, daraus macht er keinen Hehl. Und so verführt er visuell den Zuschauer, sich in die Idee des Kombinats nicht nur einzufühlen, sondern diese wohlwollend zu umschließen. Da grapscht dann ein Baby neugierig nach einer leckeren, frisch geernteten Karotte, das ist nicht nur höchst appetitlich, sondern auch noch moralisch gut, weil: erstens Bioanbau, zweitens Gemeinschaft, drittens: schon im jüngsten Alter begreifen die Kleinen, wo das Essen herkommt.
Es geht um Wertschätzung für das Wachsen, um Fairness in der Bezahlung, um das große gemeinsame Ziel, etwas zu tun, um die Welt zum Besseren zu wenden. Zunächst ein paar Dutzend, dann ein paar Hundert Haushalte der Region werden Teil der Genossenschaft; kaufen Anteile am Projekt und erhalten dafür regelmäßig Gemüsekisten: das, was mit ihren Investitionen in ihrem Namen angebaut wurde, das für sie geerntet wurde. Der Konsument ist zugleich der Produzent: regional und Bio, erwirtschaftet ohne Profitinteressen. Der Markt als Mittelpunkt des kapitalistischen Systems soll ausgehebelt werden.
Es geht nicht mehr um Angebot und Nachfrage, sondern um Erzeugen und Nutzen: Das ist die große Vision, und auf jeden Fall in kleinerem Rahmen funktioniert dieses System. Doch Simon Scholl und Daniel Überall, die Gründer des Kartoffelkombinats, denken weiter, denken größer; Springer begleitet sie, und ihr Weg führt in die Krise. Ist diese unausweichlich?
Die Zusammenarbeit mit der Gärtnerei, in die sich das Kombinat in den ersten Jahren eingepachtet hat, zerschlägt sich; das Kombinat erwirbt eigenen Grund und Boden, die Produktionsmittel gehören nun tatsächlich der Genossenschaft – die sich dafür allerdings erweitern muss. 1500 Mitglieder sind notwendig. Man kann sich damit nicht mehr persönlich kennen. An diesem Punkt, wenn das Persönliche nicht mehr möglich ist, zeigt sich die Kraft eines Wirtschaftssystems: Der Einkauf im Laden ist anonym; die Investition in eine künftige Ernte basiert dagegen stark auf Vertrauen in die Individuen.
Was, wenn die Anonymität in diesen Ansatz Einzug hält?  Oder: Was ist mit all den anderen Initiativen für solidarische Landwirtschaft, die es in Deutschland gibt? Wie kann man sich verknüpfen? Muss man Einzelkämpfer bleiben? Woher die Energie nehmen für den laufenden Betrieb und das Netzwerk und die Zukunftsvision?
Es zeichnet Das Kombinat aus, dass der Film nicht beim positiven Porträt verharrt, sondern weitergeht, dass er auch tiefer blicken kann, in die unterschiedlichen Richtungen, die Simon und Daniel einschlagen wollen, in die Verwerfungen, die sich mit dem Wachstum ergeben, in die Animositäten, Misstrauen und Lagerbildung. So entwickelt Springer seinen Film immer weiter entlang der Geschichte des Kartoffelkombinats, zeigt, wie sich die Wege verzweigen können, selbst, wenn man dasselbe Ziel im Auge hat. Blickt genau hin auf die Dynamiken und erzeugt so das komplexe Bild einer Gemeinschaft, die das Neue und Andere wagt. Die sich aufmacht ins Ungewisse jenseits der Marktwirtschaft. Die weiß: Das Risiko lohnt.
(kino-zeit.de)
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