Am 24.9. zeigt das Kinoptikum

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So. 11:00
FALLENDE BLÄTTER  DF
Kuolleet Lehdet – FIN 2023, 81 Min.
Regie: Aki Kaurismäki
mit Alma Pöysti, Jussi Vatanen
Zum Bundesstart: Nach mehr als 10 Jahren endlich wieder ein „echter Kaurismäki“, lakonisch und zauberhaft wie eh und je
Trailer zu FALLENDE BLÄTTER
Weiterlesen... In der finnischen Hauptstadt Helsinki (bzw. der Kaurismäki-Version von Helsinki) leben Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen) bescheidene Leben. Sie arbeitet in einem Supermarkt, räumt die Regale ein und nimmt bisweilen eine Packung abgelaufener Wurst mit nach Hause, weswegen sie bald entlassen wird. Er arbeitet auf dem Bau – zumindest noch – lebt in einem Container und geht gelegentlich mit seinem Freund zur Karaoke, an der er aber nicht teilnimmt, denn: Harte Jungs singen nicht. Noch wissen die beiden Nichts voneinander, leben vor sich hin, in einer zeitlosen Welt, die weder bewusst die Vergangenheit darstellt, noch deutlich die Gegenwart.
Das Radio in Ansas Küche etwa, scheint aus den 60er Jahren zu stammen, aber sie hört darin Nachrichten, die auf den aktuellen Krieg in der Ukraine Bezug nehmen. Fernseher gibt es in dieser Welt dagegen nicht, die Moderne scheint noch keinen Einzug gehalten zu haben. Irgendwann kommt es zu einer ersten Verabredung – man sieht sich Jim Jarmuschs „The Dead don’t die“ im Kino an – doch bevor Ansa und Holappa wie der kleine Tramp und das Mädchen in den Sonnenaufgang gehen können, wollen noch einige Hindernisse überwunden werden.
Ein eigenartiges Gefühl hinterlässt Aki Kaurismäkis „Fallen Leaves“: Ein neuer Film des finnischen Kultregisseurs ist dies, der sich dennoch in jedem Moment, in praktisch jedem Dialog, jeder Geste, jedem Schauplatz bekannt anfühlt. Als hätte es Kaurismäki zum diesmal vielleicht endgültigen Ende seiner Karriere darauf angelegt, ein Pastiche seiner bisherigen Arbeiten zu drehen, eine Art Best Of-Kaurismäki.
Die Welt, die er dabei zeigt, scheint sich seit den 80er Jahren, als Kaurismäki begann, Filme zu drehen, kaum geändert zu haben. Damals war das karge Set-Design wohl nur wenig von der finnischen Realität entfernt, im Laufe der Jahre hat sich dagegen Finnland selbst weit mehr entwickelt als die Filme des im Ausland wohl berühmtesten Finnen.
Kein Regisseur und auch sonst kein Künstler dürfte das Bild von Finnland stärker geprägt haben als Kaurismäki. Das Bild eines wortkargen, melancholischen Volkes, dass das Leben lakonisch an sich vorbeiziehen lässt ist dabei im Lauf der Jahre entstanden, ist die Welt, in der Kaurismäkis Filme spielen, unverwechselbar geworden. In gewisser Weise ist „Fallen Leaves“ also pure Nostalgie, erlaubt es dem Zuschauer einmal mehr in die bekannte, auch die heile, Kaurismäki-Welt einzutauchen, in der die Dinge sich im Lauf der Jahrzehnte nicht verändert haben. Doch die Kaurismäki-Nostalgie funktioniert anders als etwa der Versuch allzu vieler Serien und Filme der letzten Jahre, sich auf eine Reise in die 80er oder 90er Jahre zu begeben und eine nur vermeintlich einfachere Zeit wiederaufleben zu lassen.
Kaurismäkis-Filme haben bei allem Realismus, bei aller Sympathie für die Arbeiterklasse („Fallen Leaves“ soll als Weiterführung der um 1990 entstandenen Proletarischen Trilogie verstanden werden), immer auch etwas Irreales, etwas Märchenhaftes. Das Finnland, das Kaurismäki zeigt, hat so vermutlich nie existiert, es war schon Mitte der 80er Jahre eine Illusion und ist es 40 Jahre später noch viel mehr. Allein an der Lust, sich von Kaurismäki, seinen einzigartigen Figuren und seinem speziellen Blick auf die Welt verzaubern zu lassen hat sich nichts geändert.
(programmkino.de)
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So. 15:30
DER KLEINE NICK ERZÄHLT VOM GLÜCK
KinderKinoLe petit Nicolas: Qu´est-ce qu´on attend pour être heureux? – F 2022, 82 Min.
Regie: Amandine Fredon, Benjamin Massoubre
Eine originelle und verspielte Hommage an den Kinderbuchklassiker - Prima!
Trailer zu DER KLEINE NICK ERZÄHLT VOM GLÜCK
Weiterlesen... Im Jahr 1955 erfinden der Autor Rene Goscinny und der Zeichner Jean-Jacques Sempé den kleinen Nick, eine Figur, die immer ein Kind bleiben wird, und die eine Kindheit erlebt, die der Zeichner selbst nie hatte, die aber auch glücklicher ist als alles, auf das der Autor zurückblicken kann. Im Lauf der Zeit bevölkern sie die Welt des kleinen Nicks – und in diesem Film bekommt man viele der kleinen Geschichten zu sehen, während die Rahmenhandlung die Jahre bis 1977 abdeckt, als Goscinny, vor allem als einer der zwei Schöpfer von Asterix bekannt, überraschend an einem Herzinfarkt verstorben ist.
Die Zeichnungen sind zauberhaft. Sie fangen den Charme der Bücher ein, sind ungewöhnlich und sehr eigen, aber immer die perfekte Übertragung von einem Medium zum anderen. Die Realfilme um den kleinen Nick litten darunter, dass der Mediensprung zu weit war und dass die Geschichten des kleinen Nicks auch eher kleiner Natur sind. Sie sind nicht abendfüllend. Bei „Der kleine Nick erzählt vom Glück“ müssen sie das auch nicht sein, weil die Erlebnisse der Figur in kleine Geschichten gepackt werden.
Dazwischen tritt er in Interaktion mit seinen Schöpfern – eine durchaus clevere Visualisierung dessen, wie ein Künstler im Zwiegespräch mit sich selbst die Geschichten entwickelt. Darüber hinaus ist es die Geschichte zweier Freunde, die sich im Lauf der Jahre aus den Augen verlieren. Dieser Film ist ebenso sehr diesen beiden Männern vorbehalten, wie er es auch für den kleinen Nick ist.
Er ist herzlich, liebenswert, hübsch, aber auch emotional, ehrlich und bisweilen sehr traurig. Weil Nicks Schöpfer mit ihrer Kreation sich die Kindheit zurechtlegten, die sie gerne gehabt hätten, aber auch, weil der Film nicht verschweigt, mit welchen Dämonen die beiden zu kämpfen hatten. Der eine war mit seiner Familie in Argentinien und sicher vor den Nazis in Paris, während seine Verwandtschaft verschleppt und ermordet wurde, der andere erlebte eine glück- und lieblose Kindheit. Mit dem kleinen Nick konnten sie von einem Ideal träumen, das jeden anspricht. Das ist der universelle Reiz dieser Figur, die auch fast 70 Jahre nach ihrer Entstehung noch immer funktioniert.
Dieser Film beweist das mehr als eindrucksvoll. Ein Zeichentrickfilm, der klassisch animiert ist, dem Design der Kinderbücher folgt und erzählerisch so wertvoll ist, dass es wundern würde, wenn er im nächsten Jahr nicht für den Oscar in der Kategorie des besten animierten Films in Betracht gezogen würde. (programmkino.de)
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So. 19:00
PEARL  DF
Cinema Obscure – USA/CAN/NZ 2023, 102 Min.
Regie: Ti West
mit Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright
Das Prequel zu „X“ vom Erwachen des dunklen Herzens der ikonischen Blutrausch-Killerin.
Trailer zu PEARL
Weiterlesen... Pearl lebt bei ihrer Mutter und ihrem pflegebedürftigen Vater, während ihr Mann im Krieg ist. Ihre Mutter ist herrisch. Die junge Frau träumt indes davon, etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie möchte tanzen. Als sie hört, dass in der örtlichen Kirche ein Vortanzen für eine Show stattfindet, will sie unbedingt daran teilnehmen. Ihre Mutter verbietet es, doch das ist der Moment, an dem Pearl, die schon immer Freude daran hatte, Tiere zu töten, aus ihrem Korsett ausbricht. Sie ist gewillt, zu tun, was immer auch notwendig ist, um ihren Traum zu erfüllen. Und wenn das nicht gelingt, dann macht sie aus dem, was sie hat, das Beste ...
Während „X“ aussah wie ein Film der 1970er Jahre, mutet „Pearl“ weit altmodischer an. Nicht wie ein Stummfilm jener Dekade, in der er spielt, eher schon wie ein Film der 1930er Jahre. Schon die Stabsangaben am Anfang machen das deutlich. Die Inszenierung aber auch. „Pearl“ hat etwas Märchenhaftes, die Hauptfigur ist eine Art verdrehte Version von Dorothy aus „Der Zauberer von Oz“. Die ausdrucksstarken Farben unterstützen dieses Feeling noch.
Der Film selbst ist vor allem ein psychologisches Drama. Eines über familiären Missbrauch, aber auch eines über einen zutiefst verstörten Menschen. Denn Pearl war nie normal - das weiß auch ihre Mutter, und genau darum behandelt sie die Tochter, wie sie es tut. Wenn Pearl sich unbeobachtet fühlt, dann tötet sie, wobei die Tiere, denen sie den Garaus macht (und dann an den Alligator im See verfüttert) immer größer werden. In Pearl schlummert alles, was einen Serienkiller ausmacht. Es brauchte nur noch den einen Schubs, um sie endgültig in den Abgrund zu stoßen.
Die ersten zwei Drittel des Films sind vor allem ein Drama, erst dann entfaltet sich der Horror, den Fans von Ti West vielleicht erwarten. Dann kommt es auch zum Morden, wobei Pearl nimmt, was zur Hand ist - sei es Mistgabel oder Axt. Die letzte Einstellung ist dann eine, die lange nachwirkt. Sie weckt Reminiszenzen an die Filme, die auf Basis der Morde von Ed Gein geschahen, und sie erlaubt den Blick in das groteske Bild des Wahnsinns.
Der Film gehört ganz Mia Goth. Sie meistert den Südstaaten-Akzent, sie liefert eine atemberaubende Tanzeinlage ab, und sie versteht es, den Wahnsinn ihrer Figur greifbar zu machen. Es gibt den einen Moment, in dem sie wirklich bricht, gefolgt von einer minutenlangen Sequenz, die ohne jeden Schnitt auskommt und in der Goth eine schauspielerische Tour de Force abliefert, die eindrucksvoll ist.
Wie es mit Pearl ausgeht, hat man in „X“ gesehen, wie es mit der Überlebenden aus „X“ weitergeht, wird sich im dritten Teil „Maxxxine“ zeigen, der in den 1980er Jahren spielt. Neben Goth hat Ti West ein wirklich namhaftes Ensemble versammelt. Mit dabei sind Elizabeth Debicki, Moses Sumney, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Lily Collins, Halsey, Giancarlo Esposito und Kevin Bacon.
(programmkino.de)
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