Am 1.6. zeigt das Kinoptikum

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Do. 18:00
ROTER HIMMEL
D 2023, 103 Min.
Regie: Christian Petzold
mit Paula Beer, Thomas Schubert, Matthias Brandt
Ein sengender Sommer im Sog der Ostsee und unterdrückter Gefühle. Hypnotisches Petzold-Kino vom Feinsten!
Trailer zu ROTER HIMMEL
Weiterlesen... „Roter Himmel“ ist die Christian-Petzold-Variante von Stanley Kubricks “Shining“. Ein Schriftsteller steckt fest an einem Ort, an dem er weder Schlaf noch Inspiration findet, sondern nur Leute, die ihn nerven. Doch Petzold lässt nicht – das wäre ja einfach gewesen – dem Wahnsinn freien Lauf, sondern zeigt präzise das innere Zerfressen von Leon, dem jungen Autor, der an seinem zweiten Roman eigentlich arbeiten will. Das macht er zumindest sich vor, seinem Freund, nein, besser: Kumpel Felix und auch Nadja und Devid, denen sie im Ferienhaus an der Ostsee begegnen. Und 30 Kilometer weiter wüten die Waldbrände.
Eigentlich will Leon alleine sein. Er will nicht schwimmen gehen, muss arbeiten. Spielt dann aber mit einem Tennisball. Gibt seine Tätigkeit als hoffnungsvoller Autor vor. Felix ist am Strand; er verbindet seine Arbeit mit dem Vergnügen zu baden, will eine Kunsthochschule-Bewerbungsmappe mit Thema Wasser zusammenstellen. Nadja ist zufällig im selben Haus, Felix’ Mutter hat doppelt vermietet; Devid ist der Rettungsschwimmer. Sie alle nerven.
Leon wird gespielt von Thomas Schubert als unsicherer, missvergnügter Mensch, der sich in sich selbst zurückzieht und dem missfällt, was er dort findet. Schubert ist großartig in der Darstellung der Widersprüche dieses Menschen, wie er die anderen in Schubladen steckt. Nadja? Russin, na klar. Und dann noch Eisverkäuferin. Eine Putzfrau hatte mal sein Manuskript als Schmonzette beurteilt – klar, was sonst, und was weiß die schon, und ist es eine Schmonzette, und kann er überhaupt schreiben, und was wird der Verleger sagen, wenn er morgen vorbeikommt? Leon brütet, ist abgestoßen von den nächtlichen Beischlafgeräuschen, die aus Nadjas Zimmer kommen, zugleich angezogen von ihr, der Rätselhaften. Devid, der Rettungsschwimmer, mit einem E, weil das so ein DDR-Ding ist, der ist das Leben selbst, Leon macht ihn subtil genug, um deutlich zu sein, beim gemeinsamen Abendessen fertig. Felix, der Freund, den Leon nutzt, um in der Abgeschiedenheit seinen Roman fertigstellen zu können, entfernt sich mehr und mehr aus seinem Umkreis, Leon spürt die Distanz und ignoriert sie, weil er sie nicht wahrhaben will.
Petzold ist ein Meister in seinem Fach, das beweist er einmal mehr mit Roter Himmel. Er verzichtet auf eine nacherzählbare Handlung und beschreibt filmisch seine Charaktere, und das genügt – weil Petzold eben doch sehr viel zu erzählen hat, über die Bilder, über die Körper seiner Figuren, über deren Blicke, über die kleinen Nebenbei-Genreeinsprengsel von Komödie über Drama bis Horror, die er einstreut, ohne sie auszustellen. Autopanne, Geräusche im Wald, überraschende Begegnungen und kokette Dialoge – die innere Ablehnung dessen, was sie anderen interessant macht. Leon will teilhaben an der Sommerfreude und verweigert gleichzeitig das Vergnügen, blockiert sich selbst. Frisst alles in sich rein, ist unsicher, weist die anderen schroff ab, zieht sich zurück. Ist dann beleidigt, ganz für sich. Und lässt es an den anderen aus. 
Roter Himmel ist eine grandiose Charakterstudie, auch ein Film darüber, was Kunst ist und wie sie gemacht wird, ein Film über Gefühle, wie man sie unterdrücken kann und wie sie dann doch herausbrodeln. Wenn es zu spät ist. Das ist, man mag es kaum glauben, spannend. Und auf jeden Fall höchst sehenswert.
(kino-zeit.de)
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Do. 20:30
INSIDE  OmU
GR/GB/B/D 2023, 105 Min.
Regie: Vasilis Katsoupis
mit Willem Dafoe, Gene Bervoets, Eliza Stuyck
In der Falle: Eine klaustrophobische One-Man-Show mit Willem Defoe auf Survival-Trip im Luxus-Appartement
Trailer zu INSIDE
Weiterlesen... Survival-Dramen und -Thriller sind üblicherweise an abgelegenen Orten, etwa auf einer einsamen Insel wie in „Cast Away“ (2000), oder in extrem lebensfeindlichen Umgebungen, zum Beispiel in einer verschneiten, bitterkalten Winterlandschaft wie in „The Revenant“ (2015), angesiedelt. „Inside“, das Langfilmdebüt des 1977 in Volos, Griechenland geborenen Regisseurs Vasilis Katsoupis, schildert ebenfalls einen harten Überlebenskampf – jedoch in einer Luxuswohnung, mitten in einer Großstadt.
Das Drehbuch von Ben Hopkins, das dieser nach einer Idee von Katsoupis verfasst hat, erzählt vom Profi-Einbrecher und Kunstdieb Nemo (Willem Dafoe), der im New Yorker Penthouse eines gerade für längere Zeit verreisten, renommierten Sammlers ein paar Gemälde von Egon Schiele stehlen will. Von seinen Komplizen wird er per Helikopter abgesetzt; die Alarmanlage ist rasch überlistet. Aber dann bewirkt das hochmoderne Sicherheitssystem plötzlich, dass alle Ein- und Ausgänge verschlossen werden, ehe es gänzlich zusammenbricht. Der Kontakt zu Nemos Leuten reißt ab – und der Dieb muss erkennen, dass er in einem goldenen Käfig gefangen ist, in dem das Wasser abgestellt ist und die Nahrungsmittel knapp sind.
Welche Gegenstände würden wir aus unserem Zuhause retten, wenn dieses in Flammen stünde? Diese Frage rahmt den Film – zusammen mit Überlegungen über den Wert von Kunst, die „für immer“ bliebe, und über den Zusammenhang von Schöpfung und Zerstörung. Der Protagonist ist umgeben von Kunstwerken und schönen Dingen, von Designermöbeln, die in der vertrackten Situation des Helden indes all ihre Absurdität offenbaren. Verfaulte Orangen auf dem Tisch erweisen sich etwa als schwere Kugeln, die das Natürliche, Vergängliche nachahmen sollen.
Der Kühlschrank spielt beim Öffnen derweil den Song Macarena von Los del Río; er spricht als künstliche Intelligenz gar mit Nemo und empfiehlt ihm einen lecker-gesunden Mint-Smoothie. Die Tonebene von Inside ist in vieler Hinsicht bemerkenswert – vom ohrenbetäubenden Geräusch der Alarmanlage, als das System zu Beginn außer Kontrolle gerät, bis hin zu den Lauten der Aircondition, die dazu beitragen, dass wir die zunehmende Hitze in der Wohnung spüren.
Es gelingt Katsoupis und seinem Kameramann Steven Annis, die Klaustrophobie erzeugende Atmosphäre perfekt einzufangen, die trotz des Panoramablicks über die New Yorker Skyline herrscht. Nicht zuletzt ist dies der hingebungsvollen Leistung von Willem Dafoe zu verdanken, der hier ein Paradebeispiel für intensives Körperkino liefert. Nemo leckt gierig das Eis aus dem Gefrierfach, wird in seinem Kampf ums Überleben immer kreativer und geht parasoziale Beziehungen zu dem Rezeptionisten und der Reinigungskraft ein, die er über Monitore der Überwachungskamera beobachten kann.
Inside wird so zu einer beeindruckenden One-Man-Show und zu einem mitreißenden Kammerspiel – einem kleinen Kunstwerk, das es wagt, unsere Einstellung zu Kunst zu hinterfragen.
(kino-zeit.de)
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